Roßtäuscher am Werk

■ Italiens Altparteien suchen sich erneut aus der "Unregierbarkeit" herauszumogeln

Roßtäuscher am Werk Italiens Altparteien suchen sich erneut aus der „Unregierbarkeit“ herauszumogeln

Daß Italien unregierbar ist, hat Fiat-Chef Gianni Agnelli schon Mitte der 80er Jahre in einem berühmt gewordenen Bonmot festgestellt — lange bevor die Neuwahlen am Wochenende nun auch numerisch keine funktionierende Administration mehr zulassen. Damals fand Agnelli, daß „das nichts macht — es läuft ja auch so alles ganz gut“. Der Meinung ist er seit einiger Zeit nicht mehr. So war der Wechsel der von ihm gesponserten Republikanischen Partei in die Opposition das herausragende Signal der eben zu Ende gegangenen Legislaturperiode: Die Wirtschaft will die bisherigen Dauer-Regierer vor allem der christdemokratischen und sozialistischen Partei zwingen, entweder aufs Altenteil zu gehen oder marsch marsch Reformen durchzuführen, die einen Anschluß an die „besseren Kreise“ der EG nicht von vorneherein als aussichtslos erscheinen lassen.

Doch zäh kleben die Noch-Machtinhaber am Gewohnten. Ihr Zauberwort heißt nun „Vervollständigung der Demokratie“. Hatte man bisher die längst sozialdemokratisierte Kommunistische Partei mit allen Mitteln von der Macht ferngehalten und damit den für die Demokratie unerläßlichen Machtwechsel blockiert, so sollen nun die Wendekommunisten plötzlich an der Koalitionsrunde Platz nehmen dürfen. Ziel ist, eine regierungsstabilisierende Verfassungsänderung durchzusetzen. Die Gefahr ist groß, daß sich bei den Verhandlungen zu der nun angesteuerten „großen Koalition“ der berühmte Spruch aus dem „Leoparden“ des Tomasi di Lampedusa wieder einmal bestätigt: „Alles ändern, damit alles beim alten bleibt“. Setzen die Koalitionäre lediglich die schon lange angesteuerte Wahlreform mit einer Fünfprozentklausel um, können sie sich zwar an die zwanzig Prozent Stimmen teilen, die bisher kleineren Parteien zukamen, und wohl künftig auch „stabile“ Regierungen bilden. Doch die Probleme des Landes werden nicht durch Verhinderung möglicher Regierungsstürze gelöst, sondern nur, indem man die notorischen Übel angeht. So etwa die ungenierte Selbstbedienung der Politiker aus öffentlichen Töpfen und die Kumpanei mit Dunkelmännerzirkeln, die mächtiger Kriminalität Vorschub leistet. Erst dann wird es möglich, die himmelschreienden Mängel des Landes anzugehen.

Doch derlei Voraussetzungen zu schaffen, hat sich mit Ausnahme einiger kleiner und damit eher bedeutungsloser Gruppen wie der Grünen und der „Rete“ des Antimafia-Kämpfers Leoluca Orlando niemand so recht ans Panier geheftet — auch nicht die nun umworbenen, vor lauter Regierungs-Hoffnung aber längst programmlosen Ex-Kommunisten. Werner Raith, Rom