Japanisch-chinesische Begegnung

Parteichef Jiang Zemin feiert in Tokio das 20jährige Bestehen einer pragmatischen Partnerschaft  ■ Aus Tokio Georg Blume

Chinas Parteichef Jiang Zemin zeigte jahreszeitlichen Feinsinn. Ausgerechnet am bislang schönsten Tag der Tokioter Kirschblüte traf Jiang am Montag in der japanischen Hauptstadt ein. Unter einem weißen Blütenhimmel umgab die Empfangszeremonie im Tokioter Akasaka-Palast tatsächlich ein Hauch von Festlichkeit: Gerade das hatte sich Jiang gewünscht.

Doch ganz so lieblich blieb der Auftritt Jiangs in Japan nicht: Als er gestern seine Rede vor rund 2.500 Politikern, Geschäftsleuten und Vertretern japanischer Verbände hielt, wurde er kurzzeitig durch Sprechchöre chinesischer Dissidenten gestört. Drei Mitglieder der „Föderation für Demokratie in China“ wurden festgenommen. Jiang wiederholte, was chinesische Führer bei allen Gelegenheiten zu sagen pflegen: Die Lage der Menschenrechte in seinem Land gehört zu den inneren Angelegenheiten, in die man sich jede Einmischung verbitte.

Anlaß für das asiatische Gipfeltreffen ist das 20jährige Jubiläum des japanisch-chinesischen Vertrages von 1972, mit dem die Beziehungen zwischen den beiden Weltkriegsgegnern im Zuge der damals beginnenden chinesischen Politik der „Öffnung gegenüber dem Westen“ normalisiert wurden.

Neben großen Festreden beherrschte deshalb auch schon der japanische Gegenbesuch in China das öffentliche Interesse am Jubiläumsakt: Denn erstmals diskutierten gestern beide Länder offen die Möglichkeit eines japanischen Kaiserbesuchs im Reich der Mitte. Daß eine solche Reise nicht ohne die schärfste Polemik auf beiden Seiten stattfinden kann, versteht sich aus der Geschichte. Nippons Kriegskaiser Hirohito war nach der alten japanischen Verfassung Oberbefehlshaber über die völkermordartigen Greueltaten der japanischen Armee in China. Sowohl auf dem rechtskonservativen Flügel der japanischen Regierungspartei als auch unter der linksorthodoxen Parteifraktion in Peking sträuben sich deshalb die Politiker gegen die China-Reise von Hirohitos Sohn Akihito. Doch am Montag lud Jiang Zemin, der als Parteichef ähnlich wie Akihito die ideologisch-ideelle Staatsspitze verkörpert, den japanischen Kaiser ohne Wenn und Aber zum Gegenbesuch ein. Tokios Außenminister Michio Watanabe befürwortet bereits das Unternehmen. Nur der japanische Premierminister Kiichi Miyazawa erbat sich gestern noch „Bedenkzeit“.

Darin liegt denn auch der Widerspruch des japanisch-chinesischen Gipfels: Wer dabei zurück denkt, stößt nur auf Probleme. Das wurde auch deutlich, als Jiang am Dienstag vor einem Wiederaufleben des japanischen Militarismus warnte. Zu den Problemen gehört etwa der japanisch-chinesische Territorialstreit um eine Gruppe unbewohnter Vulkaninseln im chinesischen Meer (Senkaku-Inseln), der bis heute andauert, weil er schon vor Jahrzehnten Unfrieden stiftete. Jiang meinte, man solle diesen Konflikt kommenden Generationen überlassen — obwohl Peking gerade ein Gesetz zur Annexion der Inseln beschlossen hat.

Doch es ist nicht ausgeschlossen, daß die kommenden Generationen den Streit ihrer Väter aufgrund lukrativer Profitchancen einfach vergessen werden. Inzwischen hat sich Japan zum mit Abstand wichtigsten ausländischen Kreditgeber für China emporgeschwungen. Gerade mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen hoffte Jiang, seinen japanischen Gastgebern schönes Wetter ins Haus zu brinen: Hatte doch die Jahrestagung des chinesischen Volkskongresses, die erst am vorigen Freitag zu Ende ging, eine „Beschleunigung der Reformen“ beschlossen und gar vor den „linken Entgleisungen“ der Parteispitzen gewarnt.

Nichts hätte somit zeitgerechter den von Menschenrechtsfragen und Studentenrevolutionen unberührten Kurs der japanischen China-Politik bestätigen können. Die setzt seit 20 Jahren auf die Pekinger Wirtschaftsreformer, die bislang die japanischen Investitionen im Reich der Mitte vielversprechend verwalten. Als „Freund“ wolle er mit Japan sprechen, sagte der Kommunist Jiang am Montag. Ein gewagtes, aber kalkuliertes Wort.