Ausländergesetz verfassungswidrig?

Bundesverwaltungsgericht prüft, ob „Beförderungsverbot“ für Menschen ohne Visa gegen Grundgesetz verstößt/ „Air India“ und „Air France“ klagen gegen Kontrollverpflichtungen  ■ Von Dorothea Hahn

Berlin (taz) — Wie weit reicht das deutsche Asylrecht — darf es nur den wenigen gewährt werden, die den Weg bis auf deutschen Boden geschafft haben, oder dürfen auch Verfolgte in fernen Ländern in den Genuß des Artikels 16 des Grundgesetzes kommen? Diese Frage stand gestern im Mittelpunkt einer Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin. Geklagt hatten die „Air India“ und die „Air France“. Die beiden Fluggesellschaften hatten Mitte der 80er Jahre bei der Ankunft in der Bundesrepublik mehrfach indische, srilankische und iranische Passagiere ohne gültige Papiere an Bord. Sie waren gekommen, um politisches Asyl zu beantragen. Den Fluggesellschaften wurde daraufhin ein Beförderungsverbot für „illegale Passagiere“ und eine erhebliche Geldstrafe auferlegt.

Inzwischen steht das Beförderungsverbot auch im neuen Ausländergesetz. Danach dürfen Fluggesellschaften nur Reisegäste mit vollständigen und echten Dokumenten befördern. Diese Bestimmung sei eine „Zumutung“ für die Fluggesellschaften und ein „Verstoß gegen das Völkerrecht“, weil sie hoheitliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet verlange, erklärten die Anwälte der Klägerinnen gestern. Die Fluggesellschaften würden gezwungen, an der Aushöhlung des Grundrechtes auf Asyl mitzuwirken. Auf den Flughäfen von Bombay, Madras und Singapur sollten sie das tun, was den Asylbehörden in Deutschland verwehrt ist. Denn wenn ein Flüchtling erst einmal deutschen Boden betreten habe, dürfe er nicht einfach ohne Prüfung abgeschoben werden.

„Das Recht wächst einem erst zu, wenn man das rettende Ufer erreicht hat“, meinte dazu lakonisch der Berliner Rechtsanwalt Finkelburg, der die Bundesrepublik in dem Verfahren vertritt. Dann machte er eine Rechnung auf, wonach nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge betroffen sei. 20 Prozent aller Asylbewerber wählten den Luftweg, 10 Prozent von ihnen würden tatsächlich anerkannt. Damit wären also „nur“ zwei Prozent aller Asylbewerber von der Regelung betroffen. Von einer „Abschottung“ könne keine Rede sein. Das Urteil soll am 14. April verkündet werden. Bis dahin will das Gericht prüfen, ob das Ausländergesetz gegen das Grundgesetz verstößt und das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet werden muß.

Die eigentlichen Hauptpersonen des Verfahrens, Flüchtlinge, waren überhaupt nicht vertreten. Einziger erkennbarer Ausländer im Gerichtssaal war ein leitender Angestellter der „Air India“. Eine Fluggesellschaft, so meinte er, sollte nicht dazu verpflichtet werden, Polizeikontrollen durchzuführen: „Wir haben Leute, die fliegen, aber keine Experten, die feststellen, ob ein Paß echt oder gefälscht ist.“