Der adrette Rechtsradikale von nebenan

Rolf Schlierer, designierter Fraktionsvorsitzender der „Republikaner“ im baden-württembergischen Landtag, verkauft sich als intellektuelles Aushängeschild der Partei/ „Wir sind eine sinnvolle Antithese“/ Die nächsten Themen stehen schon fest  ■ Aus Stuttgart CC Malzahn

Der Württemberger Samtrot, davon ist Rolf Schlierer überzeugt, kann einem geschmacklichen Vergleich mit einem Côte du Rhône durchaus standhalten. Warum soll man also französische Weine kaufen, wenn auch im Ländle edle Trauben reifen? Im Stuttgarter Ratskeller gibt es leider keinen Samtrot, also trinkt der Herr Schlierer einen Lemberger. Der ist zwar nicht ganz so dunkel, aber er kommt immerhin aus Schwaben. Rolf Schlierer hat am Montag abend mit seinen Freunden etwas zu feiern. Ausländischer Wein würde der Runde, die sich da versammelt hat, nicht gut zu Gesicht stehen. Denn Rolf Schlierer und seine fröhlichen Freunde sind „Republikaner“.

Der 37jährige Rolf Schlierer wirkt jünger, als er ist. Seine äußere Erscheinung paßt überhaupt nicht in die landläufigen Klischees über Rechtsradikale: Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Reps und designierte Fraktionschef der Rechtsradikalen im neuen Landtag trägt weder einen Trachtenanzug noch Springerstiefel. Mit seinem modisch- grauen Jackett könnte er im Ratskeller auch zwei Tische weiter Platz nehmen: Dort sitzen einige Sozialdemokraten, die — ebenfalls beim Rotwein — ihre Wunden lecken.

Schlierer weiß, daß er nicht so wirkt und aussieht wie ein phrasendreschender bierseliger Dummbeutel, und gefällt sich in der Rolle des rechten Intellektuellen. Seine Sätze beginnt er mit rhetorischen Floskeln wie „Sie müssen wissen...“ oder „Ich will Ihnen mal eines sagen...“. Wenn er redet, zieht er seine Stirn in Falten, als wolle er die Seriosität seiner Äußerungen jeweils unterstreichen.

Rolf Schlierer ist Doktor der Medizin und Jurist. Er betreibt in Stuttgart eine Kanzlei und hat sich auf Kunstfehler-Prozesse spezialisiert. Früher schrieb er Beiträge für das rechtsradikale Magazin 'Criticon‘— die Macher dieses Blattes vergleichen sich gern mit den rechten französischen Intellektuellen. „Wissen Sie“, sagt Schlierer und zieht die Stirn in Falten, „die Politik der „Republikaner“ ist doch eine sinnvolle Antithese zum Bestehenden.“ Dann erwähnt er, natürlich ganz nebenbei, daß er auch Student der Philosophie gewesen ist. Und zaubert aus seinem Schlagwörterbuch noch den Begriff der „Hegelschen Dialektik“ hervor. Im übrigen, doziert er, seien die etablierten Parteien doch dumm, wenn sie die „Republikaner“ nicht instrumentalisieren würden. „Wir kanalisieren doch die Wut im Volk über die verfehlte Asylpolitik!“ Mittlerweile seien seine Nachbarn im Stuttgarter Guteleuteviertel Killesberg „viel radikaler“ als er. „Die würden sich am liebsten eine Schrotflinte kaufen und damit auf die Asylanten losgehen!“ „Dann sag ich denen: Ihr müßt uns wählen, damit ihr politisch vertreten werdet.“

Die bereits bewiesene These, daß das Agieren der Reps Anschläge und Attentate gegen Ausländer erst möglich gemacht habe, hält er „für Quatsch.“ Sein nächster Satz beginnt wieder mit: „Ich will Ihnen mal eines sagen...“ Schlierer gilt als Zögling von Franz Schönhuber und als dessen möglicher Nachfolger auf dem Bundesparteitag im Sommer. Zwar besitzt der Schwabe nicht die rhetorischen Fähigkeiten des Bayern — in puncto Eitelkeit steht Schlierer seinem Chef aber in nichts nach. So kann er beispielsweise nicht verheimlichen, daß seine Kontakte in die CDU „ausgesprochen gut“ sind.

Nach dem dritten Lemberger wird langsam der Wolf unter dem Schafspelz sichtbar. Es sei doch ein Unding, ereifert sich Schlierer, daß sich „unter dem Stuttgarter Schiller- Denkmal Kurden und Türken Straßenschlachten liefern“. Und es sei doch unglaublich, „daß der deutsche Steuerzahler bald dafür bezahlen“ müsse, daß deutsche Polizisten schiitische Moscheen vor Übergriffen sunnitischer Moslems schützten. Daß auch die in Deutschland lebenden Türken Steuern zahlen, interessiert ihn nicht. „Jedem Bürger sein Vaterland!“ tönt es aus dem Munde eines neben Schlierer sitzenden Rep- Funktionärs.

Schlierer lächelt zustimmend und erklärt, daß kroatische Flüchtlinge allesamt „Scheinasylanten“ seien. Die bräuchten bloß ein paar Kilometer von der Front wegzuziehen, „und schon haben die kein Problem mehr“. Die „Republikaner“, darauf legen Schlierer und seine „Kameraden“ Wert, seien „keine reine Asyl- Partei“. Auf die Frage, was denn die nächsten Themen seien, mit denen die Reps auf Stimmenfang gehen wollten, erklärt der baden-württembergische Landesvorsitzende Christian Käs ganz entspannt: „europäische Einigung, Esperantogeld [ECU, d. Red.], Wiedervereinigungsprobleme“.

Der Fahrplan für die nächsten Jahre steht schon fest. Schlierer lächelt wieder, nimmt einen ordentlichen Schluck Lemberger und sagt: „Wir sind jetzt da. Die Themen gehen uns nicht aus.“ Und da hat er —zum ersten Mal an diesem Abend— vermutlich wirklich recht gehabt.