Ein Muster an Kontinuität

■ Ständige Regierungswechsel bedeuten keineswegs Instabilität — der Verschleiß ist sogar relativ gering

Stabilitätsgewohnte Nordlichter schlagen seit eh und je die Hände zusammen, wenn die Sprache auf italienische Regierungsverhältnisse kommt. Nur selten trifft beispielsweise ein deutscher Kanzler beim nächsten internationalen Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs noch denselben Italiener als Kabinettschef an wie vorher.

Das allerdings heißt nicht, daß er sich ständig auf neue Gesichter einstellen muß — im Gegenteil: Die meisten italienischen Minister haben mehr deutsche Kollegen gehen sehen als umgekehrt. Italiens politische Führungsschicht befindet sich zwar in einem regen Verkehr— doch der dreht sich im wesentlichen im Kreis: Die Teilnehmer sind immer dieselben.

Zwar hat es, unstreitig, seit dem Zweiten Weltkrieg an die 50 Regierungen gegeben, mittlere Lebensdauer also weniger als ein Jahr. Doch zählt man die Männer zusammen, die den Regierungen jeweils vorstanden, kommen am Ende nicht mehr heraus, als die Deutschen Kanzler verschlissen haben: De Gasperi etwa war achtmal Ministerpräsident, Andreotti siebenmal, Amintore Fanfani sechsmal, Aldo Moro fünfmal, Arnaldo Forlani dreimal, Bettino Craxi und Giovanni Spadolini zweimal. Zusammengezählt decken sie mehr als 42 der 46 republikanischen Jahre Italiens ab — der Rest waren sogenannte „Baderegierungen“, Übergangskabinette ohne legislative Initiativen, die das Staatschiff lenkten, wenn die Regierung kurz vor den Sommerferien stürzte und man erst Weichen für eine neue stellen mußte.

Noch kontinuierlicher wird das Bild, wenn man die Inhaber von Schlüsselministerien zusammenzählt. Da übertreffen gleich ein Dutzend Ressortchefs den bisherigen Dreieinhalbjahresrekord für einen Ministerpräsidenten (Craxi von 1983-87); während die Regierungschefs kommen und gehen, bleiben Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Finanzministerium meist in denselben Händen. So war Aldo Moro seit Ende der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre nahezu ununterbrochen Außenminister— während der Zeit wechselten vier Regierungschefs einander ab. In den achtziger Jahren behielt Virginio Rognoni das Innenministerium über mehr als fünf Jahre, bei drei verschiedenen Ministerpräsidenten.

Die Gesamtzahl seit dem Krieg „verbrauchter“ Minister und Staatssekretäre in den wichtigsten Ressorts liegt auf diese Weise insgesamt sogar etwas niedriger als in dem als Muster an Stabilität und Kontinuität angesehen Deutschland — und das, obwohl Italien traditionell gut eineinhalb so viele Ministerien aufweist wie die Bundesrepublik.