Vom Nachttisch geräumt: Cobra übernehmen Sie
Der schnelle Weg von der künstlerischen Rebellion zur politischen, von den Situationisten, von Cobra und Spur zur KommuneI. Nachgezeichnet von Wolfgang Dreßen, Dieter Kunzelmann — der kurz vor Redaktionsschluß absprang, also mit dem fertigen Produkt nicht identifiziert werden darf — und Eckhard Siepmann. Unbekannt ist dieses Gleis der intellektuellen Nachkriegsentwicklung nicht, aber es wurde nie so ausführlich dargestellt wie in einer Ausstellung des Berliner Werkbundarchivs im November vergangenen Jahres. Der Katalog dazu gibt Gelegenheit, über die vertrackten Pfade einer alles andere als wissenschaftlichen Dialektik nachzudenken, die die, die sich ihrer zu bedienen glauben, am sichersten an der Nase herumführt. Kunzelmann 1991 auf die Frage, warum seid ihr in den SDS gegangen: „Weil wir ihn aufrollen wollten, weil wir Leute für die Subversive Aktion rekrutieren wollten.“ Es kam dann anders. Die Subversiven wurden aus dem SDS rausgeschmissen, weil der sich nicht umkrempeln lassen wollte, aber da waren schon alle miteinander umgekrempelt worden, und ein paar Jahre später war Kunzelmann ordentlicher Kader in Anzug und mit Krawatte und hatte geschworen, seine Kraft für den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei einzusetzen. Wer solche Lebensläufe absurd findet, liegt vielleicht nicht falsch, aber um wieviel absurder kommen jedem, der noch drei Gramm Verstand hat, die durchgestylten Lebensläufe vor, die von Zwischenprüfung zu Zwischenprüfung immer mehr glauben, ihr Leben sei desto erfolgreicher und schöner, je genauer es sich an die Anforderungen und Erwartungen hält.
Natürlich bietet der Katalog jede Menge Originaldokumente aus der Vorgeschichte der Studentenrevolte. Inzwischen klassische Texte wie die von Asger Jorn, Henry Lefèbvre, Guy Debord und Raoul Vaneigem. Daneben solche der kunstvollen praktischen Provokation wie Rudi Dutschkes „Genehmigte Demonstrationen müssen in die Illegalität überführt werden“ oder den Versuch, revolutionären Kampf und Herbert Marcuse in eine Parole zu zwingen: „Das Sich-Verweigern erfordert Guerilla-Mentalität“ von Dutschke und Krahl. Zahllose Abbildungen, ein wunderschönes Buch, bei dem der subversive Papa ins Schwärmen gerät und der zwanzigjährige Sohn nachschlagen kann, welchen Unsinn der Alte getrieben hat.
Nilpferd des höllischen Urwalds — Spuren in eine unbekannte Stadt — Situationisten, Gruppe Spur, KommuneI. Hrsg. von Wolfgang Dreßen, Dieter Kunzelmann, Eckhard Siepmann, Anabas Verlag, 253Seiten, 48DM.
