Clinton ist das kleinste Übel

Die Republikaner jubeln über seine Vorwahl-Erfolge aus Angst vor einem unberechenbaren Alternativ-Kandidaten/ Demokraten wollen die Wähler nicht unnötig weiter verunsichern  ■ Aus Washington M. Sprengel

Als großen Tag für George Bush feierten republikanische Wahlstrategen am Dienstag abend den Ausgang der Vorwahlen in New York. Und damit meinten sie nicht den Sieg ihres Kandidaten, der hier ein leichtes Spiel hatte, weil Rechtsaußen Pat Buchanan nicht zugelassen worden war. Sie jubilierten vielmehr über das gute Abschneiden des Demokraten Bill Clinton, der 41 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte und die Nominierung seiner Partei damit rein rechnerisch so gut wie in der Tasche hat. Clinton, der seit Beginn des Wahlkampfs im Februar von Zweifeln über seine persönliche Integrität verfolgt wird, scheint den Republikanern einfacher zu schlagen zu sein, als ein Alternativ-Kandidat, der möglicherweise auf dem Parteitag der Demokraten im Juli noch aus dem Hut gezaubert werden könnte. Genau solch ein Szenario war nach der überraschenden Niederlage Clintons gegen seinen Mitbewerber Jerry Brown in Connecticut vor einer Woche unter anderem Gegenstand zahlreicher Treffen hinter verschlossenen Türen gewesen. Die Parteiführung wollte für den Fall gewappnet sein, daß sich Clinton in den Vorwahlen nicht überzeugend durchsetzen würde. Mit seinem deutlichen Sieg in New York hat der Gouverneur aus Arkansas seinen kurz erschüttert geglaubten Spitzenreiter- Status im demokratischen Bewerber- Feld aber wieder gefestigt. 1.326 Stimmen von zwei Drittel der für die Nominierung benötigten Delegierten sind ihm jetzt sicher. Demgegenüber kann Brown nur knapp 200 auf seiner Seite zählen, und auch Paul Tsongas hinkt mit jetzt 559 weit hinterher. Mehr oder weniger zähneknirschend wird die Parteiführung am Ende Clintons durch die Wähler legitimierten Anspruch auf die Präsidentschaftskandidatur akzeptieren müssen, obwohl auch sie von Clintons Angreifbarkeit überzeugt ist. Zweifel an seiner ehelichen Treue, Gerüchte über den Versuch, sich der Einberufung nach Vietnam zu entziehen, sowie Spekulationen über unsaubere Finanzgeschäfte machen Clinton immer wieder zu schaffen. Nicht zuletzt seine lächerliche Bemerkung, mit Marihuana nur „experimentiert“ und vor allem es „nicht inhaliert“ zu haben, verfestigt bei Wählern und Parteiführung den Eindruck, er sage nicht die Wahrheit.

In einem Wahljahr, das sich aber vor allem durch den Ärger der Wähler über das politische Establishment auszeichnet, wird sich die demokratische Führung hüten, einen Alternativkandidaten zu präsentieren, der nicht durch den nervenaufreibenden Vorwahlprozeß gegangen ist. Clinton müßte schon von selber — aus Parteiräson — auf die Kandidatur verzichten und Platz machen für einen Bewerber, der den Attacken des republikanischen Lagers eher standhalten würde. Bisher beharrt er aber darauf, daß ihn die ständigen Angriffe auf seine Person abgehärtet hätten für den eigentlichen Wahlkampf im November. Nicht allein die demokratische Parteiführung ist mit dem Angebot der anderen Bewerber unzufrieden. Zwei Drittel der demokratischen Wähler in New York gaben an, andere Kandidaten zu bevorzugen. Viele Wahlberechtigte blieben deshalb gleich zu Hause, andere erinnerten sich wieder an Paul Tsongas, der erst vor knapp drei Wochen aus Geldmangel seine Kandidatur, wie er damals formulierte, „ausgesetzt“ hatte. Tsongas Ankündigung am Sonntag, bei einem entsprechend guten Abschneiden werde er das Rennen vielleicht wieder aufnehmen, verfehlte ihre Wirkung nicht. Seine definitive Entscheidung wird noch in dieser Woche erwartet.

Verlierer in New York war Jerry Brown, der mit 26 Prozent weit schlechter abschnitt als erwartet. Seine Botschaft vom korrupten Amerika, das sich die Wähler wieder zurückholen müssen, und seine Ablehnung von hohen Geldspenden kommt zwar vor allem bei den jungen Demokraten gut an, dennoch wird er von den meisten nicht ernst genommen. Die parallel zu New York abgehaltenen Vorwahlen in Kansas und Minnesota gingen ebenfalls an Bill Clinton, in Wisconsin zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Jerry Brown ab. Auf der republikanischen Seite konnte George Bush in allen vier Staaten leichte Siege verbuchen.