Arafat funkte aus der Wüste: „Ich lebe noch!“

Der PLO-Chef überstand nur knapp eine Notlandung/ Staatschefs ließen schon Kondolenzbriefe entwerfen  ■ Aus Kairo Khalil Abied

Nur Knapp überlebte PLO-Chef Yassir Arafat in der Nacht auf Mittwoch eine Notlandung seines Privatflugzeuges in der libyschen Wüste. Die Antonow kam auf dem Weg aus dem sudanesischen Khartum zu einem PLO-Camp in Libyen in einen Sandsturm und mußte notlanden. Dabei kamen mindestens drei seiner Leibwächter und Sekretäre ums Leben. Arafat wurde mehr als zwölf Stunden vermißt. Für die Suche nach ihm wollten sogar die US-Militärs Satellitenaufnahmen zur Verfügung stellen.

Nach dem Unfall hat sich erneut bestätigt, daß Arafat nicht nur als Politiker, der unzählige Attentatsversuche heil überstand, in die Geschichte eingehen wird, sondern auch als Überlebender etlicher Unfälle, die nur das Schicksal zu verantworten hat. Erst vor wenigen Monaten überstand der „Khetiar“, der Alte, wie ihn seine Anhänger nennen, einen Autounfall auf dem Weg von Bagdad nach Amman. Das Auto überschlug sich mehrmals, und nur ein Schutzschild Gottes schien ihm sein Leben gerettet zu haben.

Auch diesmal sahen viele sein Ende gekommen. Internationale Radiostationen begannen bereits, Nachrufe auf den Palästinenserführer zu senden.

Journalisten begannen, sich mit dem Schicksal der PLO in der Nach-Arafat-Ära zu beschäftigen. Und einige Staatsmänner gaben bei ihren Ghostwritern bereits Trauertelegramme in Auftrag. Der ägyptische Staatschef Mubarak beorderte Aufkärungsflugzeuge seiner Luftwaffe in die libysche Wüste, um die Überreste von Arafats Privatjet zu suchen. Für ein paar Stunden beherrschten unterschiedliche Gefühle die Welt: Traurigkeit und Angst unter den meisten Palästinensern, Freude unter Arafat-Gegnern in vielen Städten der Region von Jerusalem bis zu manch arabischer Kapitale. Aber dann kam der Funkspruch aus der Wüste: „Ich lebe noch.“

Für ein paar Stunden stellten sich viele Fragen. Die wichtigste: Was wird aus dem Friedensprozeß ohne Arafat? Obwohl die PLO offiziell nicht an den Verhandlungen beteiligt ist, so weiß doch die ganze Welt, daß es die PLO ist, die die palästinensischen Fäden in Madrid, Moskau und Washington in der Hand hält, mit Arafat als dem Maestro. Er selber hatte gegen die innerpalästinensische Opposition sein politisches Schicksal von der Beteiligung am Friedensprozeß abhängig gemacht. Sein Verschwinden von der politischen Bühne hätte zu tiefgreifenden Änderungen in den palästinensischen Positionen geführt.

Das Ende Arafats hätte nicht das Ende der PLO bedeutet, aber wahrscheinlich das Ende einer politischen Strategie, die die PLO über die Jahre von einer revolutionären Befreiungsbewegung zu einer gemäßigten „Staatsführung“ im Exil machte. Eine Führung, die trotz der nahöstlichen politischen Wirren und des Drucks seitens der divergierenden arabischen Regime die Unabhängigkeit der palästinensischen Entscheidungsfindung bewahrte.

Vor zwei Dingen hatten gemäßigte Palästinenser gestern Angst: Daß die arabischen Regime versuchen würden, die PLO wieder unter ihre Fittiche zu zwingen, und daß das Verschwinden Arafats von der politischen Bühne den Radikalen und den Islamisten um Hamas und Dschihad Islamy Auftrieb gegeben hätte, die jede Teilnahme an den Friedensgesprächen ablehnen. Wie auch immer zukünftige Machtkämpfe ausgegangen wären, sie hätten die Organisation für längere Zeit gelähmt. Das hätte den Israelis die Möglichkeit eröffnet, eine alternative Führung in den besetzten Gebieten aufzubauen, die dann an Stelle der PLO über das Schicksal der Palästinenser verhandelt hätte.

Auch wenn Arafat unter vielen arabischen Staatsführern und Fürsten wegen seines Eigensinns nicht besonders beliebt ist, so atmeten doch die meisten von ihnen gestern auf. Abu Ommar, wie er von seinen Anhängern genannt wird, hat ein geheimes Tagebuch, über das er einmal sagte: „Wenn das veröffentlicht wird, werden viele Staatsführer stürzen.“ Auf die Frage, wann er es zu veröffentlichen gedenke, lächelte er und erklärte: „Nicht, solange ich lebe.“