Ein Porsche-Enkel erklimmt den VW-Thron

■ Der Audi-Chef Ferdinand Piech und sein Vize Daniel Goeudevert sollen den Konzern wieder in Fahrt bringen

Als berechnend, unzugänglich und versessen gilt der eine, eloquent, geschmeidig und quertreibend dagegen der andere. Ein seltsames Gespann bildet das neue Führungsduo, das den Vier-Marken-Autokonzern Volkswagen ins nächste Jahrtausend steuern soll. Die heutige Entscheidung des Aufsichtsrats für den PS- und Zylinder-Fanatiker Ferdiand Piech (54) und den in der Branche als Umweltapostel gehandelten Daniel Goeudevert (50) ist nur noch eine Formsache. Der Ingenieur Piech und sein Vize, der Verkaufsmanager Goeudevert, sollen den VW-Karren gemeinsam aus dem Dreck ziehen. Bei derart kontroversen Gemütern, so spötteln bereits die Brachenexperten, werde es bei den Wolfsburger Autobauern bald hü und hott im Stakkato geben.

Ein halbes Jahrhundert, nachdem Ferry Porsche den ersten Volkswagen konstruierte, hat dessen Enkel Ferdinand Piech sein Lebensziel erreicht. Schon immer wollte der zielstrebige Audi- Chef den VW-Thron erklimmen. Nun darf der gebürtige Wiener dank der Zustimmung des Arbeitnehmer-Flügels im Aufsichtsrat seinen Förderer Carl Hahn beerben. Für Piech hatte den Ausschlag gegeben, daß er die VW-Tochter Audi vom „Hosenträger“-Image gelöst und mit neuen Flitzern an die Nobelmarken BMW und Mercedes herangefahren hatte. Den Konzernaufsehern schienen dagegen die kontroversen Theorien des VW-Spartenvorstands Goeudevert jedoch nicht ganz geheuer, der sich als VW-Sanierer durchaus ebenso für den Vorstandssessel empfohlen hatte. Wie auch immer — Piech bingt noch ein weiteres Faustpfand mit: er ist einer der dominierenden Anteilseigner des in die Krise geratenen Sportwagenherstellers Porsche, mit dem sich wohl auch VW nur zu gerne schmücken würde.

Bei soviel Startkapital und der mehrfach unter Beweis gestellten Ausdauer des Porsche-Enkels wird gerne mal dessen mangelnde Artikulationskraft und Ausdrucksvermögen nachgesehen. Wenn Piech zum Reden ansetzt, wird das Publikum regelrecht auf die Folter gespannt: Seine Pausen sind meist so lang, daß man leicht das zuvor Gesagte vergißt und dann nicht weiß, von was der Mann eigentlich spricht. Doch das soll die Fähigkeiten des mit einem Ehrendoktor geschmückten Chefkonstrukteurs nicht schmälern, der bei Audi von Ideen nur so sprühte, selbst wenn diese manchmal aus der Traumfabrik der Porsche-Entwickler stammten. Das von Audi präsentierte Roaster-Modell jedenfalls soll bösen Zungen zufolge aus einer Studie der Zuffenhausener für einen kleinen Porsche gewachsen sein.

Gegen soviel Autoversessenheit konnte der für die VW-Division im Konzern verantwortliche Goeudevert freilich nicht ankommen. Angesichts der bevorstehenden Autoflaute und den wirtschaftlichen Problemen sind öklogischer Sachverstand weniger gefragt als jenes technokratische Durchsetzungsvermögen, das Piech als Audi-General vorexerzierte. Dem gelernten Literaturwissenschaftler und Rhetorik-Talent Goeudevert, der sich seine Sporen als Ford-Chef verdient hatte, hängt zudem der Ruch eines „Paradiesvogels“ an. Als VW-Vize darf er weiterhin für Sparmodelle, Öko-Autos und integrierte Verkehssysteme werben — bis ihn ein anderer Autokonzern abgeworben hat. Erwin Single