Das klirrende Übel

■ Hörspiel „Das Brummen“, DS-Kultur, 15.35Uhr

Zuerst erkingt der Kaiserwalzer. Bombastisch, lebensfroh und mitreißend. Abrupt bricht er ab — dann kommt das Flüstern. Kein leises, stimmungsvolles Murmeln, sondern ein hektisch heiseres, ein panisches. Das rhythmische Tempo suggeriert Vielstimmigkeit — obwohl bei gespanntem Zuhören, den Atem angehalten, doch nur zwei Stimmen identifizierbar sind: eine Frau im „Vordergrund“ und als Echo ein Mann. Sie flüstern uns nieder. In sachlichem Stakkato berichten sie von dem, was lieber keiner hören möchte... von einer unsichtbaren Bedrohung. Jeder hatte es gehört, damals, das erste Brummen. Irgendwann war es da: „An einem Morgen, zu einer beliebigen Jahreszeit... Es war still, nur die Luft, sie schien zu klirren..., es war wie das Echo einer Drohung.“

Präziser werden die Angaben nicht. Alles bleibt unruhig und unbestimmt. Eine „zeitlose“ Bedrohung, Polit-Science-Fiction? Erinnerungen an Truffauts Fahrenheit 451 und auch Tarkowskis Opfer kommen in den Sinn. Nie wird genau ausgesprochen, woher der Wind wehte, was dieses Grauen auslöste. Klar wird nur, daß es real gewesen sein mußte! Denn später fielen Vögel tot vom Himmel. Und „Verantwortliche“, Staatstreue kamen, um mutige Zeugen brutal zu beseitigen. Auch die Kinder spürten damals das klirrende Übel nahen. Unfähig zu sprechen, ihre Beklemmung in Worte zu kleiden, starrten sie mit offenen Mündern. So berichten die Stimmen, kühl und zornig, wie ein mythischer Chor, der später, wenn alles vorbei ist, die Katastrophe kommentiert und Bilanz zieht.

Doch Jürgen Frenzels poetischer Monolog — so distanziert und schwebend er auch wirkt — entläßt seine Figuren (und Hörer) nicht in eine duldende Passivität. Trotz einer assoziativen, kreisenden Form des Hörspiels wird klar genug, daß es kein unverrückbares, mythisches „Schicksal“ gibt. Wer früh auf Warnungen horcht und, statt zu gehorchen, seinen Ohren traut, kann vielleicht ändern und aufhalten. Was es aufzuhalten gilt, kann jeder für sich selbst entscheiden. Das Brummen entzieht sich dem direkten, dem erklärenden Zugriff. Tschernobyl, der zweite Golfkrieg, ein „totalitärer Staat“ — wer vorschnell nach Metaphern sucht, verpaßt die Botschaft des fragilen Textgebildes. Auch wenn die apokalyptischen Sprachbilder sich beängstigend zuspitzen, bleibt uns Mithörern eine Fluchtmöglichkeit: Bevor eine zweite Bedrohung heranbrummt, könnten wir etwas tun. Nicht schweigen und erdulden! Der Autor — als Ressortleiter Nachrichten beim ORB kennt er die sprachlichen „Schleichwege“ der Staatsmacht — spricht eine abstrakte Warnung an die Welt. Eine, die unter die Haut geht, gerade weil sie die Beruhigung der konkreten Benennung verweigert. GeHa