Hunger als Waffe in Sudans Bürgerkrieg

■ Ohne Hilfe aus dem Ausland ist der Südsudan dem Verderben ausgeliefert/ Hunderttausende auf der Flucht

Die Männer warteten in einem trockenen Flußbett: Sieben an der Zahl, vier von ihnen hielten Gewehre in der Hand. Sie waren auf uns gerichtet. Mit erhobenen Händen mußten wir aus dem Auto aussteigen — dann räumten die Wegelagerer das Fahrzeug leer und schleppten ihre Beute eiligst in den Busch. Ein Hinterhalt wie dieser gehört auf der Straße von Narus nach Kapoeta im Südsudan schon fast zum Alltag. Auch Hilfskonvois werden hier regelmäßig überfallen.

Die Stadt Kapoeta besteht aus Hütten und den zerfallenen Resten einiger arabischer Geschäfte. Die wenigen Güter auf dem Markt — Salz, Zucker, Seife — waren ursprünglich entweder Entlohnung der Hilfsorganisationen für Arbeit im Rahmen eines „food for work“-Programms oder gehören wie Sorghum und Brennholz zu den wenigen Produkten, die das Land noch hergibt. Kenianische Schilling werden hier lieber akzeptiert als sudanesische Pfund. Aber im allgemeinen blüht hier ohnehin nur der Tauschhandel. Ohne humanitäre Hilfe des Auslands geht nichts mehr— der Südsudan hängt vollständig davon ab. Dabei geht es der Bevölkerung Kapoetas noch vergleichsweise gut. Sie kann von internationaler Hilfe noch erreicht werden. Die überwältigende Mehrheit der Südsudanesen ist im Zuge der militärischen Großoffensive des Nordens von jeder Unterstützung abgeschnitten worden. Zwei Millionen Menschen, so schätzt die UNO, hungern in der Region. Hunderttausende sind vor den Kämpfen geflohen, ohne Nahrung, ohne Medikamente, ohne Schutz vor dem sporadisch bereits einsetzenden Regen. Viele werden schon seit Monaten von Ort zu Ort gejagt: Sie flüchteten aus Lagern in Äthiopien, nachdem im Mai letzten Jahres die Regierung dort gestürzt worden war.

Im kenianischen Lokichogio sitzen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen fest.

Sudans Regierung hat die Genehmigung für Flüge von Kenia aus in den Südsudan verweigert— die Hilfsoperationen sollen von Khartum aus starten. Zum einen wegen der Deviseneinnahmen, aber auch, weil sie ausländische Helfer bezichtigt, die Rebellenbewegung SPLA zu unterstützen. Indirekt dürfte da etwas dran sein: Die Verteilung der Hilfsgüter untersteht der SRAA, dem humanitären Flügel der SPLA. Ist es wirklich vorstellbar, daß nichts davon für die Kämpfer abgezweigt wird? Die SRAA schwört, daß dem so sei. Beide Seiten haben in dem seit neun Jahren andauernden Bürgerkrieg Hunger immer wieder als Waffe eingesetzt. Auch die SPLA hat zu Zeiten, in denen sie keine Städte kontrollierte, Genehmigungen für Hilfsflüge verweigert. Im Inneren des Landes dürften sich derzeit Szenen von unvorstellbarem Elend abspielen. Doch die abgelegenen Regionen sind auch für Kamerateams und Fotografen unerreichbar.

Es ist auch fraglich, wie lange die Bevölkerung Kapoetas noch zu essen haben wird. Am Dienstag ist wieder einmal ein Konvoi auf der Straße nach Narus überfallen worden. Dieses Mal ging es nicht glimpflich ab. Es kam zu einem Schußwechsel zwischen den Räubern und einer bewaffneten SPLA-Eskorte. Ein SPLA-Mann starb, ein zweiter wurde schwer verletzt. Aus Sicherheitsgründen hat die UNO die Strecke nun für ihre Fahrzeuge zunächst gesperrt. Und die Ausländer, die jetzt noch in Kapoeta sitzen, fragen sich ohnehin, ob die militärische Offensive des Nordens nicht demnächst auch ihren Standort erreicht. Die Bevölkerung des Südsudan wäre dann endgültig sich selbst überlassen. Bettina Gaus