: Rote Karte für Parteienfinanzierung
Bundesverfassungsgericht erklärt staatliche Parteienfinanzierung für verfassungswidrig/ Klage der Grünen in allen Punkten erfolgreich/ Kritik an der Pfründewirtschaft der Altparteien ■ Aus Bonn Andreas Zumach
Die derzeitige Form der staatlichen Parteienfinanzierung ist grundgesetzwidrig und muß bis spätestens Ende 1993 völlig neu geregelt werden. Mit diesem gestern verkündeten Urteil gab das Bundesverfassungsgericht einer im Juli 1989 eingereichten Klage der Grünen in allen vier Punkten statt. Die Grünen, die von dem Ausmaß ihres Erfolges überrascht waren, werteten das Karlsruher Urteil als „deutliche Absage an die skrupellose Selbstbedienungspolitik der etablierten Parteien“.
Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kriterien werden die Einkünfte für die beiden großen Parteien CDU und SPD aus staatlichen Töpfen künftig sinken. In ersten Stellungnahmen bemühten sich ihre Schatzmeister gestern, den Eindruck zu erwecken, sie hätten die Bedenken der Grünen gegen die derzeit praktizierte Form der staatlichen Parteienfinanzierung schon immer geteilt.
Grundgesetzwidrig ist die bislang vor allem von Großspendern aus der Wirtschaft in Anspruch genommene Obergrenze für die Steuerabzugsfähigkeit von Spenden. Der Bundestag legte diese Grenze 1988 gegen die Stimmen der Grünen auf jährlich 60.000 Mark fest. 1979 lag sie noch bei 600 Mark. Mit seiner gestrigen Entscheidung korrigierte das Bundesverfassungsgericht ein eigenes Urteil aus früheren Jahren. Künftig können nur noch Kleinspenden von der Steuer abgezogen werden. Derzeit gilt die abzugsfähige Obergrenze von 1.200 Mark pro Spenderperson.
Die Publizitätsgrenze, bei deren Überschreiten Großspenden offenzulegen sind, muß nach dem Karlsruher Urteil wieder von 40.000 Mark auf die bis 1988 geltende Summe von 20.000 reduziert werden. Vor vier Jahren hatte der Bundestag ebenfalls gegen die Stimmen der Grünen die Verdoppelung auf 40.000 Mark beschlossen. Sinn der Offenlegungspflicht ist es, die WählerInnen über die Kräfte zu informieren, die durch größere Spenden Einfluß auf die Politik nehmen.
Völlig und mit unmittelbarer Wirkung hat das Gericht den sogenannten Sockelbetrag untersagt. Diese 1989 eingeführte neue Finanzquelle sicherte bei den Bundestagswahlen 1990 allen Parteien, die über zwei Prozent der Stimmen erhielten, jeweils sieben Millionen Mark zu — zusätzlich zur Wahlkampfkostenpauschale von fünf Mark pro Wähler. Der Sockelbetrag sollte die Kosten zur Aufrechterhaltung der Parteiapparate zwischen den Wahlkämpfen abdecken. Für die Bundestagswahlen 1994 war eine Summe von 14 Millionen Mark pro Partei vorgesehen. Die bereits eingeleiteten Abschlagszahlungen auf den 94er Sockelbetrag müssen nach dem Karlsruher Urteil eingestellt werden. Schließlich verwarf das Gericht das seit 1988 praktizierte Modell zur Berechnung des Chancenausgleichs zwischen den Parteien. Mit dem Chancenausgleich sollten ursprünglich Nachteile für die Parteien vermieden werden, die aufgrund ihrer WählerInnenstruktur nur einen geringen Anteil steuerlich abzugsfähiger Spenden erhalten. Seit einer 1988 von den Altparteien verabschiedeten Novellierung ist jedoch die Höhe der Mitgliedsbeiträge ein wesentliches Kriterium für die Bemessung der Ausgleichszahlungen. Da die Mitgliedsbeiträge bei den kaum mit Spenden gesegneten Grünen vergleichsweise sehr viel höher liegen als bei CDU und SPD, führte die neue Regelung faktisch zu Ausgleichszahlungen der Grünen an die großen Parteien. Bis 1988 flossen den Parteien im Rahmen des Chancenausgleichs jährlich 11,1 Millionen Mark aus der Staatskasse zu. Mit der Neuregelung stieg der Betrag auf über 23 Milionen Mark pro Jahr.
Die Grünen hoffen, daß mit dem Urteil „den BürgerInnen endlich die Möglichkeit eröffnet wird, mehr über die Finanzquellen der Parteien zu erfahren“. Der selber im letzten Jahr in der Parteispendenaffäre verurteilte Schatzmeister der CDU, Walter Leisler Kiep, nannte das Urteil „in den entscheidenden Punkten keine Überraschung“. Es entspreche „in wesentlichen Teilen“ der Position der CDU. Auch die SPD sieht nach Angaben ihrer Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier durch das Urteil eigene „Forderungen“ sowie „Zweifel“ an bislang gültigen Regelungen „bestätigt“.
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