„Ich predige gerne“

■ Interview mit Babett Flügger, Bremens erster Dompredigerin seit 1200 Jahren

Nach über 1200 Jahren wurde mit Babett Flügger (33) erstmals eine Frau als Dompredigerin gewählt. Als Nachfolgerin von Günther Abramzik wird sie sich die Pfarrstelle — auch ein Bremer Novum — mit ihrem Mann Henner (32) teilen. Beide teilen sich seit drei Jahren eine Pfarrstelle im bayerischen Burghausen bei Salzburg.

taz: Haben Sie schon einmal auf der Domkanzel gestanden?

Babett Flügger: Ja, einmal zum Vorpredigen. Ich fand das sehr schön, weil die Gemeinde im Carrée um einen herumsitzt. Als erste gewählte Frau am Dom ging es mir so, daß ich eigentlich ein gutes Gefühl habe, weil ich denke: Es ist einfach so, daß Frauen die gleichen Fähigkeiten auf der Kanzel haben wie Männer. Aber es wird immer stärker geguckt, wenn sie reden. Das ist bei Politikerinnen genauso. Vieles andere traut man Frauen zu, aber ob sie reden können, darauf wird genau geachtet.

Das Gefühl, in einen riesigen, leeren Raum zu sprechen, hatten Sie im Dom nicht?

Nein, dadurch, daß die Bänke so um den Altar herum angeordnet sind, hatte ich das Gefühl nicht. Das wäre anders, wenn ich vom Hochaltar hätte sprechen müssen. Es ist natürlich so, daß am Dom 1200 Jahre Männer gewählt worden sind und gepredigt haben. Aber ich denke, daß mit meiner Wahl an eine gute Tradition angeknüpft wurde, denn es ist in der Bibel keineswegs so, daß Frauen nicht auch priesterliche Funktionen hatten. Das ist nur im Laufe der Jahrhunderte einfach verdrängt und verschwiegen worden. Es wird Zeit, daß das wieder so gelebt wird.

Das klingt, als hätten Sie gar kein Problem im Dom gehabt?

Nein, ganz normal ist es nicht,

hier bitte die

beiden Paßfotos

Ab Juli auf der Domkanzel: Babett und Henner Flügger

aber ich habe mich wohl gefühlt, weil ich gerne predige.

In Bremen gibt es keinen Bischof, jede Gemeinde spricht für sich selbst. Trotzdem hat Günther Abramzik als Domprediger immer eine Art Vorsprecherrolle übernommen. Wünschen Sie sich das auch für sich?

Nein, eine Vorsprecherrolle käme für uns nicht in Frage. Wir sind ja noch relativ jung, und das wäre eine Aufgabe, in die man hineinwachsen müßte. Was uns an der Domgemeinde interessiert hat, war die Stadtteilarbeit. Zum Domsprengel gehört das Ostertorviertel, und das ist ein Viertel, in dem es uns zu arbeiten reizt.

Warum?

Das ist ein sehr buntes Viertel, das wenig vergleichbar ist mit anderen Städten. Es gibt ein sehr breites Spektrum von Studenten, Alternativszene, eingesessenen kleinen Handwerksbetrieben, ganz normalen Familien bis hin zur Drogenszene...

Mit sehr wenigen Kirchenmitgliedern. Wollen Sie das ändern?

Ja, wir würden es gerne ändern. Aber wir haben nicht vor, dort einen strategischen Missionsfeldzug zu inszenieren. Was wir möchten, ist die Kirche als Gesprächspartner anzubieten.

Im Bremer Westen gibt es einen Zusammenschluß von Pastoren, der sich gerade mit einer Erklärung in die Tagespolitik eingemischt hat, in der u.a. der Senat aufgefordert wird, das geplante schärfere Asylverfahrensgesetz im Bundesrat abzulehnen. Ist das eine Ebene, auf der Sie als Dompredigerin Politik machen wollten?

Ja, Kirche hat in der Welt zu stehen. Ich bin gegen Parteipolitik. Aber da, wo es um Menschen geht, die in einer schwachen Position sind, haben wir die Aufgabe, für sie einzustehen. Das ist dann auch politisch.

Sie sind ja nicht nur die erste Frau am Dom, sondern auch Teil des ersten Ehepaars, das in Bremen jemals eine Pfarrstelle eingenommen hat. Wie haben Sie es in den letzten drei Jahren geschafft, aus der typischen Rolle der Pfarrersfrau herauszukommen?

Wir teilen unsere Arbeit funktional auf. Im Predigtplan ist klar, wer dran ist, da gibt es keine Unterschiede. Ansonsten hat jeder seinen Bereich: Ich arbeite mit jungen Familien, und mein Mann macht Jugendarbeit. Da trennen wir strikt und reden uns nicht in die Kompetenzen rein.

Und wenn Sie sich in der Familie zerstreiten, kracht es auch in der Gemeinde?

Natürlich hängt das stärker zusammen: Wenn in der Gemeinde was schiefgeht, dann ist der Ärger auch in der Familie, und umgekehrt kann es natürlich leichter passieren, daß Familienstreit in die Gemeinde getragen wird — wobei wir das bisher immer vermieden haben.

Haben Sie dafür auch einen Trick?

Ja, man muß einfach die Zuständigkeiten klären.

Fragen: Dirk Asendorpf