Nach dem Winter kommt das Zittern vor der Abrechnung

■ Die Betriebskostenabrechnung ist die zweite Miete: Besonders in Ost-Berlin, wo zum ersten Mal die Betriebskosten abgerechnet werden, bangen die Mieter vor der Nachzahlung — fehlende Isolierung, nicht zu regulierende Heizungen und zugige Fenster schlagen sich in der Abrechnung nieder

Berlin. Es passiert nicht oft, daß MieterInnen so etwas wie Mitgefühl für ihre Hausverwaltungen empfinden. Die BewohnerInnen eines Weddinger Mietshauses waren kürzlich, anläßlich der jährlichen Betriebskostenabrechnung, nahe daran: Sie erhielten — gesetzlich vorgeschrieben, aber keineswegs selbstverständlich — ein detaillierte und übersichtliche Aufstellung aller angefallenen Kosten.

Schon einen Tag später gab es wieder Post von der Verwaltung. Dort war inzwischen aufgefallen, daß der Betriebskostenzuschlag zwar richtig errechnet, aber falsch übertragen wurde. Dank moderner EDV-Technik lag auch schon die korrigierte Fassung der Abrechnung bei.

Moderne EDV-Technik hat allerdings auch ihre Tücken: »Mein Computer«, gestand die inzwischen offenbar leicht entnervte Sachbearbeiterin in einem dritten Brief zwei Wochen später, »hat in jeder Zahlenspalte die Quadratmeter dazu addiert«, was wiederum einem aufmerksamen Mieter aufgefallen war. Mit dem Hinweis, daß das Zahlenwerk »in Nachtarbeit« erstellt wurde, bat die Verwaltung um Entschuldigung und verschickte die dritte, endgültige Version der Betriebskostenabrechnung.

Das ist weit mehr, als viele Berliner MieterInnen gewohnt sind. Wenn sie überhaupt eine Betriebskostenabrechnung erhalten, dann ist die nicht selten fehlerhaft, zumindest aber unübersichtlich; und das eine Verwaltung von sich aus, noch dazu in angemessenem Tempo, Fehler korrigiert, dürfte zu den ganz großen Ausnahmen gehören.

Trotzdem hält sich der Unmut der MieterInnen meist in Grenzen. Zum einen geht es in der Regel um vergleichsweise geringe Beträge, zum anderen ist die Betriebskostenabrechnung, so die Kreuzberger Mieterberaterin Benita Rupp, »das einzige, wo du richtig gut nachgucken kannst«.

Wenn ein Mieter sich wirklich die Mühe macht, die Berechnung zu kontrollieren, dann muß die Verwaltung ihm alle Zahlen, vom Hausmeister-Gehalt bis zur Abrechnung der Berliner Stadtreinigung, offenlegen. Richtig großen Krach gibt es dementsprechend selten, das Thema ist mehr ein Ärgernis als ein wirkliches Problem.

Ganz anders sieht die Situation im Ostteil der Stadt aus. Vor allem die großen Wohnungsbaugesellschaften, so Michael Roggenbrodt von der Geschäftsstelle des Berliner Mietervereins, »zittern vor ihrer Betriebskostenabrechnung genauso wie die Mieter«. Es wird nämlich für beide Seiten die erste sein, in der Ex-DDR gab es keine getrennte Ausweisung, schon gar nicht nach einzelnen Positionen.

Angesichts der Dimensionen ist die Unruhe der MieterInnen nur zu verständlich. Mit Beträgen zwischen 1,80 (Altbau) und 2,80 DM pro Quadratmeter (Neubau) liegen die Vorauszahlungen nämlich weit über den im Westen üblichen. Das liegt zum Teil daran, daß die Gesellschaften, mangels Erfahrungswerten, alles auf die Liste setzen, was überhaupt unter »Betriebskosten« verbucht werden kann. Wenn dann Vorauszahlungen für einen gar nicht vorhandenen Fahrstuhl verlangt werden, ist das Vertrauen in die anstehende Jahresabrechnung naturgemäß schon im Voraus erschüttert.

Besonders prekär stellt sich die Lage in den Plattenbau-Siedlungen dar: Hier sind nämlich nicht nur die Betriebs-, sondern auch die Heizkosten eine von den MieterInnen nicht beeinflußbare Größe. Die Wärme kommt aus dem Heizkraftwerk und ist mit den alten »Ein-Rohr-Systemen« nicht regulierbar: Dabei ersetzt das geöffnete Fenster den fehlenden Thermostaten. Über die Idiotie dieser Technik hat sich in der DDR kaum jemand Gedanken gemacht — jetzt kostet der ökonomische wie ökologische Unfug drei Mark pro Quadratmeter.

Bis 1996 müssen zumindest die alten Heizkörper ersetzt sein, so daß die dann vorgeschriebene verbrauchsabhängige Abrechnung möglich wird. Mit der uneffektiven Fernwärme und ohne vernünftige Außendämmung der maroden Plattenbauten dürfte das Heizen aber kaum billiger werden.

Kein Wunder also, daß, anders als im Westen, das Thema »Betriebskosten« schon jetzt zu den Dauerbrennern der Ostberliner Mieterberatungsstellen gehört. Wenn, wie angekündigt, alle großen Wohnungsgesellschaften ihre Abrechnungen gleichzeitig zum Jahresende präsentieren, fürchtet Michael Roggenbrodt, »dann wird hier die Luft brennen«. Jochen Siemer