Noriega schuldig, Bush erleichtert

Im Schuldspruch gegen den ehemaligen Militärdiktator Panamas sieht der US-Präsident einen „wesentlichen Sieg“ gegen die Drogenbarone/ Aber durch Panama wird weiter Kokain geschleust  ■ Aus Washington M. Sprengel

Zwei Jahre und vier Monate nachdem die US-Regierung 24.000 Soldaten nach Panama einmarschieren ließ, um den Diktator des Zwergstaats in Ketten zu legen, hat ein Gericht in Miami Manuel Antonio Noriega jetzt wegen seiner Schlüsselrolle im Kokainhandel von Kolumbien in die USA schuldig gesprochen. In acht von insgesamt zehn Anklagepunkten verurteilte die zwölfköpfige Jury Noriega unter anderem, mit dem kolumbianischen Medellin- Drogenkartell die Produktion und Verteilung von Kokain organisiert sowie Geld aus den illegalen Geschäften in panamaischen Banken reingewaschen zu haben. Das Strafmaß — bis zu 120 Jahre maximal — soll am 10. Juli verkündet werden. Während George Bush von einem „wesentlichen Sieg“ gegen die Drogenbarone der Welt sprach und den fairen Prozeß lobte, den der General erhalten habe, kündigte Noriegas Anwalt Frank Rubino gleich an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Ein Streitpunkt der Berufung wird sicherlich die unklare Rechtsgrundlage sein für einen Prozeß gegen den Staatschef eines fremden Landes, der im Rahmen einer amerikanischen Militäraktion festgesetzt wurde und sich selbst als Kriegsgefangener betrachtet. So beharrte Rubino während des gesamten Verfahrens darauf, hier handele es sich um einen politischen und nicht, wie die US-Regierung behaupte, um einen ganz normalen Drogenprozeß. Beweise über die enge Zusammenarbeit seines Mandaten mit dem amerikanischen Geheimdienst, die diese Interpretation nach Rubinos Strategie hätten untermauern, in erster Linie aber Washington hätten bloßstellen können, waren jedoch nicht zugelassen worden. Richter William Hoeveler hatte die Diskussion entsprechenden Materials konstant mit der Begründung abgelehnt, nationale Sicherheitsinteressen der USA würden dadurch bedroht, beziehungsweise Noriegas Verstrickungen in CIA-Aktionen seien irrelevant für die ihm vorgeworfenen Drogenvergehen.

Im Mittelpunkt eines Berufungsverfahrens, das sich über Jahre hinziehen kann, wird allerdings der Umstand stehen, daß sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage im wesentlichen auf die Aussage ehemaliger Drogenhändler stützen mußte, die im Gegenzug für ihre Kooperationsbereitschaft einen Teil ihrer Haftstrafen erlassen bekommen haben. „Diese Leute sind der Abschaum der Erde“, hatte Rufino in seinem Abschlußplädoyer den Geschworenen entgegengeschleudert.

Ein Freund der USA

Gerüchte über eine Beteiligung Noriegas an illegalen Drogengeschäften waren der US-Regierung bereits in den siebziger Jahren zu Ohren gekommen. Das Interesse der amerikanischen Justiz, gegen die damals noch rechte Hand von Panamas Machthaber Omar Torijos und späteren Nachfolger vorzugehen, kollidierte aber noch bis vor kurzem mit Noriegas unschätzbarem Wert als bezahlter Zuträger für den CIA. Als Rekrut einer Militärakademie in Peru war Manuel Noriega bereits 1960 vom amerikanischen Geheimdienst angeheuert worden und entpuppte sich schnell als ausgesprochen fähiger Agent. Vor allem nach dem Sieg der Sandinistas im September 1979 versorgte Noriega die US- Regierung mit den zuverlässigsten Informationen über die neuesten Entwicklungen in Nicaragua. Wesentliche Hilfestellung leistete er dann — so Frederick Kempe in seinem Buch Divorcing the Dictator — dem Weißen Haus in den frühen achtziger Jahren in seiner Unterstützung der Contras.

Krieg gegen Panama

Noriegas Geschäfte mit den Drogenhändlern Latein- und Nordamerikas wurden aber bald für die Bush-Regierung nicht mehr tragbar. Zumal George Bush, wie schon sein Vorgänger Ronald Reagan, medieneffektiv im Blitzlicht der Kameras der steigenden Drogenkriminalität den Krieg erklärt hatte. Die Demokraten ließen deshalb in seinem ersten Amtsjahr 1988 keine Gelegenheit aus, ihn öffentlich wegen seiner Handlungsschwäche gegenüber Noriega anzuprangern. Im gleichen Jahr glaubte die US-Staatsanwaltschaft — dank der Aussagebereitschaft verschiedener ehemaliger Geschäftspartner Noriegas — einen wasserdichten Fall gegen den General zu haben. Im Dezember 1989 startete die US-Regierung schließlich (Versuche, den General zum Rücktritt zu zwingen, waren mißlungen) eine Militäraktion, die es in diesem Ausmaß seit dem Vietnamkrieg nicht mehr gegeben hatte. So fielen in nur 13 Stunden 422 Bomben auf Panama City. 23 US-Soldaten wurden bei dem Einsatz getötet, rund 300 der panamaischen Streitkräfte und etwa 400 Zivilisten. Die USA kostete das Unternehmen „Gerechte Sache“ etwa 170 Millionen Dollar, Panama rechnete nachher einen Gesamtschaden von rund einer Milliarde Dollar zusammen. Wer aber glaubt, die menschlichen und materiellen Kosten hätten sich gelohnt, und der Kokainzufluß in die USA sei nach dem Sturz Noriegas versiegt, sieht sich getäuscht. Der Drogenhandel floriert wie eh und je, auch ohne Manuel Noriega.

Eines aber ist Bush sicherlich mit dem Schlag gegen jenen Mann gelungen, den seine Freunde wegen seiner entstellenden Pockennarben auch „Ananas-Gesicht“ nennen: Den Makel eines Feiglings, ihm von der Presse während seines Wahlkampfs 1987 aufgedrückt, hat Bush damit abschütteln können. Und spätestens seit seinem entschiedenen Vorgehen gegen Saddam Hussein, der im übrigen Noriega als „Amerikas Feind Nummer eins“ ersetzt hat, genießt er nun den Ruf eines erfolgreichen Feldherrn.