Sachsens Landtag schweigt zu Neonazis

Eine von der PDS beantragte Aktuelle Stunde wurde von der Tagesordnung gestrichen/ Innenminister Eggert: Polizeieinsatz gegen Gegendemonstranten der Situation angepaßt  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Rechtsextremismus ist für den sächsischen Landtag kein aktuelles Thema. Zu tumultartigen Szenen kam es gestern, als CDU und FDP eine Aktuelle Debatte über „Extremistische Ausschreitungen und das Verhalten der Sicherheitskräfte am 21.März in Leipzig“ von der Tagesordnung hebelten. Die von der Linken Liste/PDS beantragte Aussprache hatte nach Auffassung der Parlamentsmehrheit ihre Aktualität verloren, nachdem Innenminister Heinz Eggert (CDU) bereits am Vortag „überraschend“ auf die Leipziger Ereignisse eingegangen war.

Nach Eggerts Auffassung war der Polizeieinsatz gegen TeilnehmerInnen der linken Gegendemonstration „keine Überdosis Deutschland“ und der „Situation angepaßt“. Das Ziel, „keine Straßenschlachten zwischen Rechten und Linken zuzulassen“, sei erreicht worden. Einige Demo-TeilnehmerInnen hätten die Auseinandersetzungen mit der Polizei „langfristig geplant“. Eggert kündigte zu den noch laufenden Untersuchungen einen Abschlußbericht an.

Als Redner der Linken Liste/PDS die Ablehnung ihres Antrages als „mangelnde politische Kultur“ im sächsischen Landtag qualifizierten, verließen die CDU-Abgeordneten schimpfend den Saal. Martin Böttger (Bündnis 90/Grüne) stellte klar, daß diese Aktuelle Debatte „ebenso von unserer Fraktion hätte beantragt werden können“. Aus Berichten von TeilnehmerInnen der Leipziger „Aktion Toleranz“ werde deutlich, daß der Polizeieinsatz zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Kundgebung sich friedlich auflöste. Die DemonstrantInnen wurden weder gewarnt noch konnten sie aus dem Polizei- Kessel fliehen. Böttger forderte eine Erklärung des Innenministers, warum sowohl in Leipzig als auch in Dresden, wo am 4.April etwa 800 Neonazis marschierten, rechtsextremistische Straftaten durch die Polizei geduldet wurden.

Inzwischen teilte die Dresdner Staatsanwaltschaft mit, daß gegen den Berliner Neonazi Priem von „Wotans Volk“ ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Priem hatte in Dresden öffentlich dazu aufgefordert, „die Mörder von Rainer Sonntag zur Strecke zu bringen“.

Sachsens Regierung schweigt beharrlich zu den Äußerungen ihres Justizministers Heitmann, wonach eine „Überfremdung“ Deutschlands durch die „Fülle der Ausländer“ drohe. Zwar versuchten seine Parteifreunde, ihm zur Seite zu stehen und die Wortwahl zu entschuldigen. Doch Heitmann dementierte nicht. Er habe nur ein „Gefühl artikulieren“ wollen, das er bei vielen Menschen feststelle. Der Mensch vertrage nur ein „bestimmtes Maß an Fremdbestimmung“. Die „ideologiebelasteten“ Reaktionen „zeigen mir nur, wie groß die Tabuisierung ist“.