FDP weiterhin für Bestrafung der Frau

Liberale machen Druck bei der Neuregelung des Paragraphen218/ Wenn sich die Verhandlungspartner keinen Ruck geben, ist die Fristenregelung vertan/ Entscheidung soll noch vor der Sommerpause fallen  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Die FDP befürchtet, daß sich die Neuregelung des Paragraphen218 durch „Liegenlassen“ erledigen könnte. „Wenn sich die Beteiligten nicht einen Ruck geben“, so die stellvertretende Parteivorsitzende Irmgard Schwaetzer gestern in Bonn, „verpassen wir die Chance einer Fristenregelung mit Beratung“. Sie drängte darauf, das neue Gesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden. Eine Brücke zwischen der Fristenregelung und der im CDU-Gesetzentwurf vorgesehenen Indikationslösung sieht die FDP nicht. „Was wir brauchen ist eine mehrheitsfähige Konsenslösung von FDP und SPD.“

Daß ein solcher Kompromiß möglich, aber „noch nicht gelaufen“ sei, betonten Uta Würfel und Gerhart Baum, die als VerhandlungsführerInnen der Liberalen mit der SPD im Gespräch stehen.

Unter Dach und Fach ist offenbar ein Kompromiß zu der zwischen beiden Parteien umstrittenen Beratungsfrage. Die FDP sieht hier eine obligatorische Beratung vor, auf die vor allem Justizminister Klaus Kinkel gedrängt hatte, weil sonst die Verfassungskonformität des Gesetzes nicht gewährleistet sei. Der sozialdemokratische Gesetzentwurf befürwortet eine freiwillige Beratung. Wie Gerhart Baum sagte, haben SPD und FDP sich fast geeinigt: Die Beratung soll verpflichtend sein, allerdings kann die Frau frei darüber entscheiden, ob und wie sie ihre Konfliktlage in dieser Beratung offenlegt.

Baum: „Sie bekommt die Bescheinigung auch, wenn sie sich weigert, ihre Konflikte darzulegen.“ Inge Wettig-Danielmeier (SPD) hatte vor einer Woche in einem taz- Interview eine ähnliche Kompromißlinie beschrieben.

Differenzen gibt es weiterhin im Hinblick auf die sozialdemokratische Forderung nach genereller Straffreiheit der Frau. Baum deutete vage „Annäherungen“ an, wollte aber auch auf Nachfrage nicht präziser werden. Einen möglichen Kompromiß zur Frage der Straffreiheit zwischen der 12. und 22. Schwangerschaftswoche, die die SPD verlangt, deutete Uta Würfel an. Sie hält es für denkbar, daß in dieser Zeit die Indikationsregelung greift. Der Fall der eugenischen Indikation bliebe also weiterhin straffrei. Aus der Verbindlichkeit der Beratung folgt für die FDP jedoch nach wie vor die Strafandrohung, wenn von der Frau keine Beratung wahrgenommen wird.

Unklar bleibt bisher auch, wie das Gesetz eingeordnet wird. Die SPD schlägt vor, den ganzen 218 aus dem Strafgesetz herauszunehmen und ein eigenes Gesetzes-Paket, einschließlich der sozialen Hilfen, daraus zu machen. Die Frage nach der Strafandrohung für die Frau hätte in diesem Fall ein anderes Gewicht. In den Verhandlungen zwischen SPD und FDP ist hier noch alles offen.

Die Neuregelung des 218 folgt aus dem Einigungsvertrag. Wenn bis Ende 1992 kein neues Gesetz verabschiedet ist, wird das Nebeneinander unterschiedlichen Rechts in den alten und neuen Ländern wahrscheinlich über das Verfassungsgericht beendet.

Bis in Karlsruhe entschieden ist, würde auf dem Wege einstweiliger Verfügung das Recht der alten Bundesrepublik auch im Osten gelten. Diese „entmutigende Regelung des Westens“ (Schwaetzer) dürfe keine Gesetzeskraft erlangen. Hier entscheidet sich letztlich, ob die Frauen die Verliererinnen des Umbruchs und der deutschen Einheit sind.

Enttäuscht zeigten sich die Liberalen von den wenigen CDU-Abgeordneten, die sich noch im letzten Jahr für die Entscheidungsfreiheit der Frau ausgesprochen hatten. Ihre Signale seien leider verstummt. Die FDP will die aus den neuen Ländern stammenden Abgeordneten an ihre Versprechen erinnern, daß es keine Verschlechterung geben solle.

Uta Würfel kündigte an, daß am 17.Juni im Sonderausschuß über die Entwürfe abgestimmt werden soll. Dann könnte der Bundestag das neue Gesetz am 26.Juni in zweiter und dritter Lesung verabschieden.