■ GASTKOLUMNE
: SPD atmet auf: Niemand hat versagt

Die Erleichterungsseufzer waren laut zu hören, mit denen sich die Spitzengenossen wieder in die Lehnstühle sinken ließen. Gottlob, Bremens Sozialdemokraten haben das Debakel der Herbstwahl nicht verschuldet. Richtig war es, daß keine Köpfe gerollt sind. Nur Unschuldige hätte es getroffen. Niemand hat versagt. Eine Klimaveränderung ist ohne regionales Zutun eingetreten. Bremens Bürger sind als erste an der Wahlurne Opfer der neuen Großwetterlage geworden, die keine absoluten Mehrheiten mehr zuläßt. Das Teufelsschicksal hat zuerst Wedemeier und schließlich sogar Engholm getroffen, dessen Mehrheit gilt nicht, weil eine ärgerliche Panne.

Bremens SPD sind viele Lasten der Vergangenheit genommen. Niemand ist mehr verpflichtet, um die absolute Mehrheit zu kämpfen. Das erleichtert die Parteireform ungemein. Die alten Filzprobleme brauchen nicht mehr aufgearbeitet zu werden. Filz geht künftig nur noch, wenn andere mitmachen. Er ist jetzt ein allgemeines Problem. Politische Programme sind vollends nonsens geworden, weil ja niemand weiß, was in einer Koalition am Ende läuft. Die Angst vorm Wähler lastet endlich nicht mehr auf der Partei. Für eine Ampel reicht es allemal.

Wer hätte nach den düsteren Tagen der Selbstzweifel nach der Bremenwahl zu hoffen gewagt, daß allen Lästerern so schnell das Maul gestopft wird. Absolution für alle und viel Gemeinsamkeit. Der Feind steht rechts.

Wer solchem Gelulle folgt, schafft die Politik ab in der BRD. Wählen lohnt sich dann weniger denn je. Wer Mehrparteienkoalitionen preist, verwechselt politische Lähme mit Stabilität. Weimarer Verhältnisse gibt es auch mit der 5-Prozentklausel. Die Bremer Ampel wird ein Musterbeispiel liefern, wie man sich gegenseitig hemmt. Fürs erste ist noch Einigkeit beim Sparen. Die hört zur Halbzeit auf. Dann kommt der Frust für alle.

Absolute Mehrheiten sind nach wie vor das Gebot der Stunde. Wo sie verschwinden, walten keine allgemeinen Zwänge. Wie sich Parteien in jahrzehntelanger Regierung verschleißen, ist in Baden-Württemberg genauso erklärbar wie in Bremen. Die Barschelkatastrophe hat dramatisch vorgeführt, wie nicht lernfähige Systeme verröcheln. Trotz ungünstiger Wählerstruktur ist aber in Schleswig-Holstein die SPD- Regierung bis heute die Alternative geblieben. So muß es sein.

Koalitionsregierungen bringen keine Konturen in die Politik. Sie sind nur Notbehelfe, die allzuoft in interfraktioneller Mauschelei versacken. Der Machtbazillus und der Pfründevirus stecken nicht nur Ein-Parteienregierungen an. Der Unterschied zum Singlefilz ist doch nur der, daß hier immer mehrere den Postenlift besteigen.

Niemand in Bremen darf beruhigt auf die Dauerampel setzen. Zusammen mit der toten CDU verbreitet sie politische Öde. Allein zu regieren, bleibt Aufgabe der SPD. Was allenfalls noch auszuhalten wäre, ist rot-grün. H.W.Franke, Senator a.D.