Contra: Dienst in Vietnam

■ Ein Meinungskrieg zu einer Serie, deren letzte Folge heute um Mitternacht auf RTL plus über die Bildschirme flimmern wird

Erzählt wird die Geschichte eines Mannes. Er kommt nicht zurecht in seinem Heimatland, nichts will ihm gelingen, also geht er fort in ein anderes Land. Und plötzlich kann er doch was: Er kann überleben, das gibt ihm Selbstvertrauen und neuen Mut. Unser Mann heißt Zeke Anderson. Er ist Sergeant der US-Army, zufällig im Vietnam des Jahres 1967, und er sagt: „Ich mache hier einen Job.“ Der ist verdammt schwierig, er muß zusehen, daß seine Männer alle heile bleiben. Dafür tut er alles, Vietnamesen totschießen, sich um die Probleme seiner Männer kümmern und sich in eine Armeepsychologin verlieben. Deswegen ist ihm egal, warum er in Vietnam ist. Denn die Männer sind seine Freunde, und die Army ist die Famile, und deswegen hat er sich schon freiwillig zu seiner dritten Tour of Duty gemeldet, zum Kriegsdienst in Nam.

Andersons Geschichte ist „made in USA“ und wird hierzulande bei RTLplus erzählt. Abgesehen von der Verpackung ist die Geschichte die gleiche wie bei Flipper oder Bonanza. Doch die erste Serie über den Vietnamkrieg, pardon, -konflikt, sollte ganz anders sein, eben so „wahr“ wie möglich. Und zufällig sollte die unterhaltende Aufklärung wißbegierigen Amiländer von ihrer liebsten Sendung locken, der Bill Cosby Show. Wenn nicht, war sie wenigstens für die Minderheit der Cosby-Ignoranten gedacht, junge Männer und kleine Kinder.

Für die „Wahrheit“ bedeutete das: Zuviel Böses und Schmutziges mußte wegbleiben, damit Produzent Zev Braun beruhigt verkünden konnte, seiner achtjährigen Tochter gefalle die Serie sehr gut. Sicher werden massenhaft Vietcong massakriert, und der eine oder andere GI muß auch dran glauben, aber die liebgewonnenen Helden der Geschichte bleiben fast alle heile; vor allem Anderson, der unscheinbare Durchschnittsmensch, dem mehr Männlichkeit als Miami-Vice-Don Johnson und mehr Charme als Magnum Tom Selleck zugesprochen wurde.

Unser Anderson ist der Vater aller Dinge: Er kümmert sich um seine Soldatenfamilie, in der sich zufällig alle Bevölkerungsgruppen der USA herumtreiben — und alle Alltagsprobleme. Wir erleben, wie Danny Percell, der hübsche, kräftige Bursche vom Lande, mit all dem Totschießen nicht fertigwird, erst Haschgift und dann logischerweise Heroin mißbraucht, um endlich von Anderson gerettet zu werden („Du bist erwachsen, anständig und stark“), damit er weiter Menschen meucheln kann.

Wir erleben die schonungslose Aufklärung von Massakern an der Zivilbevölkerung (der schuldige Offizier erschießt sich gemeinerweise nach dem Urteil), Kriegsdienstverweigerer — die natürlich alle nicht so richtig lieb sind —, herzzerreißende Liebesgeschichten, Amüsement und Freizeitgestaltung in Saigon und als Zuckerl den Gewissenskonflikt des Piloten McKay, der locker Vietcong mordet und die Krise kriegt, weil der Scharfschütze, den er liquidieren soll, eine Frau ist, die er kurz zuvor beim Nackichbaden sah.

Wir erfahren nicht, warum die Soldaten zwar nicht kapieren, weswegen sie dort sind, aber trotzdem toll kämpfen; warum sie alle nicht saufen, kiffen, huren und sich benehmen wie der letzte Dreck; warum überhaupt alles genauso in Ohio hätte passieren können; warum zwar alles so kritisch und offen angesprochen wird, aber die Sympathien auf das „Manchmal muß man sich umdrehen und den Dingen ihren Lauf lassen“ gerichtet werden, warum immer der Durchschnitt und seine Lebensweisheiten das Maß aller Dinge sein müssen. Nur der liebe Percell klärt alles für sich und seine Fernseher: „Es bleibt ein übler Nachgeschmack.“ Aber dagegen gibt es ja die ewig gleichen Geschichten. Schmiernik