Politik der Verzweiflung

■ IRA und Sinn Fein sind in Nordirland zunehmend isoliert

Politik der Verzweiflung IRA und Sinn Fein sind in Nordirland zunehmend isoliert

Die IRA-Anschläge vom Wochenende waren keineswegs die Reaktion auf die Wahlniederlage des Sinn-Fein-Präsidenten Gerry Adams. Die Bomben wären auch hochgegangen, hätte Adams seinen Unterhaussitz verteidigt. Attentate im Herzen Londons bedürfen einer langen Vorplanung und lassen sich nicht im Handumdrehen organisieren. Ziel der IRA-Aktionen war es, die neue britische Regierung — ob Tory oder Labour — an den Krieg in der britischen Provinz Nordirland zu erinnern. Das ist zweifellos gelungen. Doch die Republikanische Bewegung, die aus der IRA und ihrem politischen Flügel Sinn Fein besteht, wird teuer dafür bezahlen.

Der Stimmenanteil Sinn Feins ist in Nordirland seit Jahren relativ konstant. Daran werden auch die drei Toten vom Freitag nichts ändern, wie die Vergangenheit bewiesen hat: Auch nach verheerenden IRA-Anschlägen sank die Unterstützung für Sinn Fein höchstens vorübergehend. Doch außerhalb dieser Szene ist die Republikanische Bewegung isoliert — zunehmend auch in der Linken. Das war nicht immer so: Während des Hungerstreiks, bei dem 1981 zehn Gefangene starben, verzichteten die gemäßigten Sozialdemokraten von der SDLP darauf, in bestimmten Wahlkreisen gegen die Sinn- Fein-Kandidaten anzutreten, um deren Wahl sicherzustellen. Andernfalls hätte die SDLP riskiert, daß sich breite Wählerschichten von ihr abwandten und statt dessen zu Sinn Fein überliefen. Diese Wahlabsprachen sind heute undenkbar. Die SDLP hat es längst nicht mehr nötig, sich darauf einzulassen, weil sie die deutliche Mehrheit der katholischen Bevölkerung hinter sich weiß. Die IRA- Bombenanschläge sind eine Politik der Verzweiflung, da sich auf der politischen Ebene nichts bewegt.

Der britische Wahlkampf hat bewiesen, daß die Torys an einer politischen Lösung des Konflikts nicht interessiert sind. Als alles auf eine Pattsituation im Unterhaus hindeutete, streckten die Konservativen ihre Fühler nach den protestantisch-unionistischen Parteien Nordirlands aus, um an der Macht zu bleiben. Für diesen Pakt wären Gegenliestungen fällig gewesen — Gegenleistungen, die auf Kosten der katholischen Bevölkerungsminderheit in den Ghettos gegangen wären und den Konflikt weiter verschärft hätten. London setzt auf eine militärische Lösung. Und die zunehmende Isolation von Sinn Fein und IRA erleichtert es ihr, drastische Maßnahmen wie Todesschüsse und Internierung ohne Haftbefehl anzuwenden. Der Proteststurm, den es noch vor zehn Jahren gegeben hätte, wird nur noch ein Lüftchen sein. Alles deutet darauf hin, daß die irische Regierung mitziehen wird: Die Internierungspläne für ganz Irland liegen bereits in den Schubladen in London und Dublin. Ralf Sotscheck