Tauziehen um den Frieden

Kirchliche Vermittlung bei den Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla in Mexiko/ Gespräche könnten sich noch über Monate hinziehen/ Guerilla ist uneins  ■ Aus Bogotá Ciro Krauthausen

„Der Friedensprozeß ist ungemein kompliziert, und ein plötzliches Wunder ist nicht zu erwarten.“ Pfarrer Nel Beltran bemühte sich am vergangenen Donnerstag, nach ersten Gesprächen mit den Kommandanten der Guerilla-Koordination keine übertriebenen Hoffnungen zu wecken. Der Vorsitzende der kolumbianischen Caritas und Priester des Erdölhafens Barrancabermeja war auf Bitten der Regierung zusammen mit dem Vize-Innenminister Hector Rios ins mexikanische Tlaxcala gereist, um dort mit den Vertretern der kommunistischen FARC, der prokubanischen ELN und einem Überrest der im vergangenen Jahr demobilisierten maoistischen EPL eine eventuelle Wiederaufnahme der kolumbianischen Friedensgespräche auszuhandeln. Die Verhandlungen in Tlaxcala hatten Mitte März mit der Ausarbeitung eines umfangreichen Themenkatalogs begonnen. Noch bevor die Gespräche über das erste Thema, die wirtschaftliche Öffnung Kolumbiens, richtig in Gang kamen, verließ die Regierungsdelegation abrupt den Verhandlungstisch: Der von einer EPL-Fraktion entführte ehemalige Minister Angelino Duran war in der Gefangenschaft gestorben.

Von Anfang an waren die Friedensgespräche von der konservativen Öffentlichkeit heftig kritisiert worden. „Unter diesen Bedingungen zu verhandeln bedeutet, der Würde des Staates zu entsagen“, meinte etwa Ex-Präsident Carlos Lleras Restrepo. Horacio Serpa, Chefunterhändler der Regierung, verteidigte sich: „Wir werden als nützliche Idioten und Komplizen der Guerilla bezeichnet, nur weil wir die wirklichen Dimensionen des Konfliktes und dessen grausame Realität kennen. Ich ziehe es vor, mich auf der Suche nach dem Frieden zu irren, als im Krieg recht zu haben.“

Während die Regierung ihre Rückkehr an den Verhandlungstisch davon abhängig macht, daß zuerst über einen beidseitigen Waffenstillstand und die Freilassung aller von der Guerilla entführten Personen diskutiert werden müsse, halten die seit drei Wochen in Mexiko ausharrenden Guerillakommandanten an der ursprünglichen Tagesordnung fest. Hinter dem Geplänkel dürften jedoch auf beiden Seiten tiefere Gründe liegen. Die Regierung kann es sich angesichts der Kritik nicht leisten, weiter mit den Aufständischen unverbindlich über staatstragende Themen zu diskutieren — zumindest so lange nicht, wie die Guerilla noch mehrere Entführte in ihrer Hand hat. Auch die Streitkräfte machen kein Hehl aus ihrer Skepsis über den Ausgang der Verhandlungen. Mit Hinweis auf einige militärische Niederlagen, die der Guerilla in den letzten Wochen bereitet wurden, ist in Offizierskreisen nun immer öfter zu hören, daß der Staat die Guerilla sehr wohl besiegen könne — eine Meinung, die den Erfahrungen aus nunmehr 30 Jahren Aufstandsbekämpfung freilich eindeutig widerspricht.

Die Guerilla scheint indes in mehrere Fraktionen gespalten. Rund ein Drittel der ELN scherte bereits aus dem Dachverband der Guerilla- Koordination aus, um als „Strömung der Sozialistischen Erneuerung“ direkte Verhandlungen mit der Regierung anzustreben. In der FARC ist sowohl eine verhandlungswillige Fraktion unter Alfonso Cano als auch ein kriegstreiberischer harter Kern unter dem obersten Führer Manuel Marulanda auszumachen. Zumindest ein Teil der Guerilla, so der Politologe Eduardo Pizarro, „setzt darauf, mit der durch die wirtschaftliche Öffnung ausgelösten sozialen Krise an Legitimität zu gewinnen, und versucht deswegen die Verhandlungen bis ins Unendliche zu verlängern“.

Sowohl die Regierung als auch die Guerilla geben sich anläßlich der Vermittlung des Priesters Nel Beltran optimistisch. Alfonso Cano, Kommandant der FARC, meint: „Diese neue Phase wird dazu dienen, die Diskussion zu entspannen und die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen.“ Gleichzeitig zweifelt jedoch keiner daran, daß sich die eventuellen Verhandlungen über Wochen oder Monate hinziehen könnten — ganz besonders, wenn es um den Waffenstillstand geht. Darüber wurde im vergangenen Jahr in Venezuela schon einmal verhandelt: monatelang ohne Erfolg.