Abtreibungsrecht auf Irisch

Die Bevölkerung Irlands soll das Maastrichter Abkommen ratifizieren, ohne zu wissen, was drinsteht  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Einen wahren Eiertanz vollführt die irische Regierung, um sich aus der Klemme zu befreien, in die sie im März geraten ist. Damals hatte das höchste irische Gericht das in der Verfassung festgelegte Abtreibungsverbot dahingehend interpretiert, daß schwangere Frauen im Falle von Lebensgefahr — und darunter fallen auch Selbstmorddrohungen — das Recht auf Abtreibung in Irland haben. Liegt jedoch keine Lebensgefahr vor, kann ihnen die Ausreise verboten werden, um eine Abtreibung zu verhindern.

Den Verfassungsparagraphen, auf dem das Urteil basierte, hatte sich die irische Regierung im vergangenen Jahr durch ein Zusatzprotokoll im Maastrichter Abkommen garantieren lassen. Der Richterspruch warf nun jedoch ungeahnte Probleme auf: Die Ratifizierung des Maastrichter Abkommens, die in Irland per Referendum geschehen muß, würde ein mögliches Ausreiseverbot international absichern. Also mußte ein zweites Referendum her, in dem Reisefreiheit und das Recht auf Abtreibungsinformation garantiert würde. Am Wochenende beschloß die Regierung jedoch, das Maastrichter Referendum am 18. Juni durchzuführen und das zweite Referendum auf Herbst zu verschieben, was bedeutet, daß die Bevölkerung im Juni ein internationales Abkommen ratifizieren soll, ohne zu wissen, ob die strittigen Punkte im Herbst tatsächlich ausgeräumt werden. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Maastrichter Abkommen in Irland zu Fall gebracht wird, gestiegen. Die Abtreibungsgegner lehnen es ab, weil das Zusatzprotokoll Abtreibung in bestimmten Fällen ermöglicht; der liberale Bevölkerungsteil ist dagegen, weil das Zusatzprotokoll offenbar die Möglichkeit eines Ausreiseverbots beinhaltet. Die Regierungspartei „Fianna Fail“ (Soldaten des Schicksals) setzte den Zeitplan gegen den Willen ihres Koalitionspartners Progressive Demokraten (PD) durch.

Das Abtreibungsthema, das die katholischen Organisationen bereits für abgehakt hielten, war im März durch den Fall eines 14jährigen Mädchens, das nach einer Vergewaltigung schwanger geworden war, wieder aktuell geworden. Erst im Berufungsverfahren erteilte das höchste Gericht dem Mädchen die Ausreiseerlaubnis für eine Abtreibung in England. Gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger wurde bisher keine Anklage erhoben, obwohl das genetische Gutachten der Polizei seit einer Woche vorliegt.