INTERVIEW
: Berliner können beruhigt schlafen

■ Erdbeben sind in Berlin sehr unwahrscheinlich, weiß der Geophysiker Professor Hans Jürgen Burkhardt

taz: Gestern nacht hat die Erde in Bonn gebebt. Ist dieses Beben überraschend und auch die Stärke?

Hans Jürgen Burkhardt: Der Ort dieses Bebens ist nicht ungewöhnlich. Diese ganze Region ist eine auch in der Vergangenheit recht aktive tektonische Zone. Da sind in regelmäßigen Abständen Beben passiert. Die Stärke des jetzigen Bebens ist dabei relativ hoch. Insofern ist es zwar etwas ungewöhnlich, aber nicht vollkommen außergewöhnlich.

Besteht auch in Berlin die Gefahr, daß die Erde bebt?

Grundsätzlich ist keine Gegend vollkommen ungefährdet vor Erdbeben. Aber die Erdbeben sind überwiegend an tektonisch sehr aktive Zonen gebunden.

Besonders die Erdbebengürtel im pazifischen Raum sind ein sehr eindrucksvolles Beispiel für solche aktiven Zonen.

Hier in Berlin ist die Erdbebengefährdung außerordentlich gering. Was man sich hier vorstellen könnte, sind eher Einsturzbeben im Sinne von Auslaugungen von Salzstöcken, die tief im Sediment sitzen.

Ein schweres Beben ist hier nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen.

Das liegt daran, daß hier keine tektonischen Spannungen herrschen?

Ja, hier sind keine Spannungen aufgebaut, die sich entladen könnten. Das liegt an der großen Sedimentbedeckung...

Sie meinen den märkischen Sand?

Ja, Sand und verfestigten Sandstein. Insgesamt liegt es aber hauptsächlich an der Tatsache, daß hier keine tektonische Aktivität stattfindet, wo sich größere Krustenpartien unter Spannungen gegeneinander bewegen und durch ein Aneinandervorbeirutschen zu solchen Spannungsentladungen, sprich: Beben, führen.

Bei Erdbeben der Stärke wie in Bonn brechen andernorts ganze Städte zusammen. Warum ist in Bonn so wenig passiert?

Die Schäden hängen sehr stark von der Bauweise der Gebäude ab.

Die größten Schäden sind üblicherweise in Gebieten mit Bauten aus Ziegeln oder Lehm zu finden.

Diese Bauwerke werden schon durch leichte Beschleunigungen zerstört. Unsere Bauwerke mit Stahlbeton reagieren dagegen sehr viel elastischer und können dadurch Beschleunigungen durch Erdstöße sehr viel leichter abfangen.

Das ist aber mehr Zufall, weil es von den Bauvorschriften her keine Vorsorgepflicht gegen Erdstöße gibt?

Direkt ist das nicht vergleichbar mit den Vorsorgemaßnahmen in Japan und Kalifornien, aber grundsätzlich sind unsere Bauten weniger gefährdet, weil sie stabiler sind als in anderen Gebieten. In der Türkei beispielsweise ist die Bauweise eben sehr viel einfacher und leichter. Gespräch: Gerd Nowakowski