Sony-Gutachten soll im Juni vorliegen

■ Diepgen kritisiert EG-Entscheidung zu Daimler-Grundstück als »falsch«/ Daimler-Gutachter sollen Sony-Geschäft überprüfen

Berlin. Die Reaktion des Senats fiel zwiespältig aus, nachdem die EG- Kommission gestern ihre seit zwei Wochen erwartete Entscheidung im Fall Daimler-Benz verkündet hatte (siehe Bericht auf Seite 4). Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ließ erklären, er halte den EG-Beschluß für »falsch«. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof werde die Stadt aber nicht anstrengen, sagte Senatssprecher Dieter Flämig zur taz.

»Was wir in diesem Bereich am nötigsten brauchen, ist Ruhe«, beschrieb Lothar Stock die Stimmungslage. Stock, Büroleiter von Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD), sah hier auch eine positive Seite der Brüsseler Entscheidung. »Für alle Beteiligten« sei nun »Klarheit« geschaffen geworden. Das Investitionsvorhaben des Konzerns am Potsdamer Platz könne ungestört vorangetrieben werden.

Als Erfolg konnte der Senat die Tatsache verbuchen, daß die Höhe der Nachzahlung unerwartet gering ausfiel. Möglich wurde das dadurch, daß sich der Senat — anders als ursprünglich geplant — nicht an den Abrißkosten für den Bellevue-Tower auf dem Daimler-Areal beteiligte. Diese Kosten, die der Konzern nun selbst tragen muß, wurden ihm von der EG-Kommission angerechnet. Die Nachzahlung konnte entsprechend niedriger ausfallen.

Der siebenköpfige Gutachterausschuß bei der Senatsbauverwaltung, der der EG im Sommer mit einem Zweitgutachten über den Wert des Daimler-Grundstücks die Argumente für die Nachzahlungsforderung geliefert hatte, beginnt unterdessen mit der Zuarbeit für ein weiteres EG-Verfahren. Die von Brüssel angeforderte Expertise über den Wert des von Sony erworbenen Grundstücks am Potsdamer Platz werde wahrscheinlich im Juni vorliegen, sagte Dietrich Ribbert von der Geschäftstelle des Ausschusses. Die Besetzung des Gremiums sei exakt dieselbe wie im Fall Daimler-Benz. Änderungen habe man »peinlich vermieden«, um den Verdacht auszuschließen, auf den Ausschuß werde Druck ausgeübt.

Einen Senatsbediensteten gab es, der sich über die Entscheidung der EG richtig freuen konnte. Dolf Straub, in der Senatsstadtentwicklungs-Verwaltung zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, hatte durch ein Telefonat mit EG-Beamten im Herbst 1990 ungewollt den Anstoß für das Prüfverfahren geliefert. Auf Druck des damaligen Regierenden Bürgermeisters Walter Momper (SPD) war daraufhin in Straubs Personalakte die Androhung aufgenommen worden, ihn beim nächsten derartigen Vorfall aus dem öffentlichen Dienst zu lassen. Jetzt hofft Straub auf eine Löschung dieses Eintrags. Immerhin habe sich erwiesen, daß er »uneigennützig dem Land Berlin fast 34 Millionen verschafft« habe. Hans-Martin Tillack