Tour d'Europe

■ Rechte Konfusion

Auf dem Feld des politischen Rechtsaußen herrscht Sprachverwirrung. Begriffe wie „rechtsextrem“, „faschistisch“ oder „faschistoid“ werden inflationär benutzt. Diejenigen, auf die solche Begriffe dann angewendet werden, lehnen derlei Bezeichnungen für sich ab. Natürlich haben sie nichts gegen „Rechts“; darüber hinaus gehende „Rechts“- Spezifizierungen aber sind ihnen zuwider. So versucht sich z.B. die FPÖ Jörg Haiders in Österreich als „unideologische liberale Kraft“ zu präsentieren. Rechtsradikale Intellektuelle nennen sich allenfalls, Anschluß an die demokratische Rechte suchend, „Neue Rechte“, „New Right“, „Nuova Destra“ oder „Nouvelle Droite“.

Trotzdem zeigt eine Analyse des Rechtsradikalismus der 20er und 30er Jahre wie der modernisierten rechtsradikalen Parteien/ Gruppierungen in Westeuropa heute, daß es einen gemeinsamen ideologischen Kern gibt — den Kampf gegen die allgemeinen Menschenrechte. Unabhängig von nationalen Besonderheiten und historischen Veränderungen stehen die Rechtsradikalen/ Rechtsextremisten gegen die politische Idee der Aufklärung, wonach jeder Mensch frei sei und alle Menschen die gleichen Rechte haben. Gerade die modernisierten Rechtsradikalen der „Neuen Rechten“ in Westeuropa sprechen offen vom Kampf gegen die „Menschenrechtsideologie“, die sie verantwortlich machen für soziale und kulturelle „Gleichmacherei“ und Umweltzerstörung. „Rechtsextrem“ ist dabei die konzentrierte, häufig mit Gewalt verbundene Erscheinungsform, „rechtsradikal“ die indirektere, auf Gesellschaftsfähigkeit bedachte Variante. Die rechtsextreme/rechtsradikale Ideologie setzt den Menschenrechten traditionell die Idee der „Volksgemeinschaft“ entgegen: eine kulturelle und rassische Zwangsgemeinschaft jener, die sich durch „Blutsbande“ oder als „Kulturgemeinschaft“ von anderen als „höherwertig“ abgrenzen wollen. Diese Idee war bereits der Kern für die NS-Ideologie. Sie ist heute spürbar im Rassismus, Sozialdarwinismus, Antisemitismus, Anti-Liberalismus etc. rechtsradikaler/rechtsextremer Parteien und Gruppierungen. Und sie lebt fort in der Anfeindung der Demokratie, in der Kriegsverherrlichung und im Führerprinzip. Rechtsradikale Ideologie wird oft nicht offen ausgesprochen, sondern mehr oder weniger geschickt verpackt. Aus „Türken raus“ wird „Deutschland den Deutschen! Die Türkei den Türken!“

Die modernisierten Rechtsradikalen passen sich an: „Wir müssen unsere Aussagen so gestalten, daß sie nicht mehr ins Klischee des ,Ewig-Gestrigen‘ passen“ — daher auch die Ablehnung von Begriffen wie faschistisch/faschistoid, die sie gerne als historisch überwundene Termini abtun. Statt dessen: Welche Linke würde nicht Forderungen zustimmen wie: „Dem Großkapital muß verboten werden, nur um des Profites willen ganze Völkerscharen zu verschieben. Der Mensch soll nicht zur Arbeit, sondern die Arbeit zum Menschen gebracht werden.“ Der Sinn bleibt der gleiche: Fremdarbeiter raus. Diese Strategie wurde in der „Neuen Rechten“ bereits Anfang der 70er Jahre formuliert. Heute ist sie wirksam. Martina Kirfel/

Walter Oswalt

Die Autoren leben als freie Journalisten und Publizisten in Frankfurt. Sie haben gemeinsam Die Rückkehr der Führer · Modernisierter Rechtsradikalismus in Westeuropa (Europaverlag Wien) herausgegeben.