: Eine Bank mit Format
Auf den Tag genau ein Jahr ist es her, daß die „Humbug-Bank“ gegründet wurde, mit „Sonnenkönig“ Attali als Chef, der den Posten erst nach einigen Reibereien bekam. Seitdem wird der Osteuropabank vorgeworfen, das uneffektivste Finanzinstitut mit den fettesten Gehältern zu sein, als Sekretariat für die politischen Ambitionen des Tausendsassa Attali zu fungieren und zu intim mit suspekten osteuropäischen Regierungen gekungelt zu haben. Hinter all dem mag ein Stück Wahrheit stecken, mit einer Ausnahme — der Effektivität der Bank. Seit die EBRD (Grundkapital zehn Milliarden Ecu) ihre Jahresbilanz vorlegte, sind die Kritiker zwar nicht verstummt, aber leiser geworden. Weltbank-Vertreter mußten ärgerlich feststellen, daß die kleine Schwester nur drei Monate brauchte, wofür sie selber mehr als fünf Jahre benötigten: ihren ersten Deal perfekt zu machen.
Bis Ende März 1992 vergab die EBRD für 20 Projekte in ihren Zielländern 621 Millionen Ecu an Krediten und mobilisierten so weitere 2,1 Milliarden Ecu an Investitionen. Die Projekte sind im wesentlichen in den Bereichen Telekommunikation, Energie, Landwirtschaft und Verkehr angesiedelt. Den Löwenanteil der Kredite erhielt Rumänien mit fast 30 Prozent, gefolgt von Ungarn und Polen. Nur knapp 14 Millionen Ecu flossen in die Ex- Sowjetunion. Das soll sich dieses Jahr ändern: 40 Prozent aller Kredite will die EBRD in die GUS-Republiken leiten — ein Plan, der bei den Delegationen Mittel- und Südosteuropas auf Bedenken stieß.
In Budapest hat die EBRD erstmals ein Dokument mit strikten Richtlinien zum Ausbau der Demokratie in Osteuropa veröffentlicht, das bei der Kreditvergabe eine Rolle spielt. Demgegenüber fallen aber die Einschätzungen zu den Nationalitäten-Problemen beschönigend aus; ein Stopp der Kredite soll laut Attali nur „letztes Mittel“ sein, falls Reformprozesse eindeutig rückgängig gemacht werden. Keno Verseck
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