'Berliner Zeitung‘ bestreikt

Berlin (taz) — Premiere bei der 'Berliner Zeitung‘: Zum ersten Mal in der Geschichte des Blattes streikten gestern die Redakteure und Angestellten. Weil der Besitzer des 'Berliner Zeitung Verlag‘, der Medienkonzern Gruner+Jahr, aus dem Verlegerverband Ost ausgetreten ist, fordern die Beschäftigten einen Haustarifvertrag, der die Anhebung der Löhne für die Ostbeschäftigten vorsieht. Die Tarifkommission unter der Leitung der IG Medien und des Deutschen Journalistenverbands fordern eine 100prozentige Gehaltsangleichung an die Westtarife bis zum 1. Mai 1994. Rückwirkend ab 1. Oktober 1991 sollen die Löhne und Gehälter auf 70 Prozent der jeweiligen Westtarife angehoben werden. Von den 150 Redakteuren der Zeitung stammen 120 aus dem Osten. Sie erhalten für die gleiche Arbeit derzeit um 40 Prozent weniger als ihre Westkollegen. Das durchschnittliche Gehalt einer Ostangestellten beträgt rund 1.400 Mark netto.

Während vor den Pforten des Verlagshauses gestern nachmittag die Streikposten standen, wurde im zweiten Stock eine neue Verhandlungsrunde eingeläutet. Gruner+Jahr wollen eine Angleichung der Löhne bis zum 1. Januar 1996 hinausschieben. Über eine frühere Angleichung könne man reden, hieß es aus Hamburg, wenn die 'Berliner Zeitung‘ vier Quartale hintereinander die derzeitige Auflage von 250.000 auf 300.000 steigert.

Heute erscheint die Zeitung in einer Notausgabe, ausschließlich produziert von Chefredakteuren und leitenden Angestellten. Die Westredakteure der unteren Chargen erklärten sich mit ihren Ostkollegen solidarisch und erschienen nicht zur Arbeit. Anita Kugler