Wettlauf mit der Zeit

■ Den abgewickelten Forschern der Akademie der Wissenschaften läuft bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen die Zeit weg — Integrationsprogramme helfen nur wenig und haben zu kurze Laufzeit

Berlin. Als Ende des vergangenen Jahres die Institute der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR aufgelöst wurden, war für die rund 16.000 WissenschaftlerInnen, die dort zuletzt noch arbeiteten, eine langfristige Forschertätigkeit beendet. Um Massenarbeitslosigkeit zu verhindern, wurden umfangreiche Förderprogramme aus dem Boden gestampft mit dem Ziel, die ehemaligen Akademie-WissenschaftlerInnen in eine neue ostdeutsche Wissenschaftslandschaft zu integrieren. Eins dieser Programme heißt WIP, Wissenschaftler-Integrations-Programm. Mit dessen Hilfe sollen rund 2.000 WissenschaftlerInnen an den ostdeutschen Hochschulen angesiedelt werden. Bis Ende 1993 stellen der Bund und die neuen Länder dafür 400 Millionen Mark zur Verfügung.

Jetzt, drei Monate nachdem das Programm angelaufen ist, ist von der Integration der WissenschaftlerInnen wenig zu spüren. »Wir werden an den Hochschulen nicht gerade mit offenen Armen empfangen«, beklagt der Historiker Rolf Straubel. Schon im Januar habe er mit der Universität Potsdam, die er in seinem Antrag als Wunschhochschule angegeben hatte, Kontakt aufgenommen, doch eine verbindliche Auskunft, was er denn am Fachbereich Geschichte arbeiten dürfe, habe ihm niemand geben können. Ähnliche Anlaufschwierigkeiten hat auch die Historikerin Barbara Pätzhold. »Mir wurde gesagt, ich soll erst einmal abwarten, wie sich der Aufbau der Universität Potsdam entwickelt. Mehr könne man im Augenblick nicht tun.«

Seit Januar werden 1.784 ehemalige Akademie-WissenschaftlerInnen über das Integrationsprogramm WIP gefördert. Zwei Jahre sollen sie an den Universitäten lehren und forschen. Am Ende des ersten Förderungsjahres müssen sie allerdings eine Bindung an eine Hochschule nachweisen, sonst bekommen sie im zweiten Jahr kein Geld mehr. Die Zeit drängt, doch bisher ist es kaum einem Wissenschaftler gelungen, an einer Universität Fuß zu fassen. »Was vom WIP-Programm existiert, ist lediglich das Gehalt, das ich bekomme«, stellt einer der Geförderten fest.

Die ostdeutschen Hochschulen, so die Meinung vieler, haben im Moment andere Probleme, als sich um die Akademie-WissenschaftlerInnen zu kümmern. Ganze Fachbereiche werden zur Zeit umstrukturiert, und die Berufung neuer Professoren ist noch längst nicht abgeschlossen. Den meisten Hochschulen steht außerdem ein drastischer Personalabbau bevor, und viele der alten Hochschullehrer bangen um ihre Arbeitsplätze.

In dieser Situation ist man über den wissenschaftlichen Zuwachs aus der ehemaligen Akademie offenbar nicht gerade erfreut.

Allein an der Humboldt-Universität liegen WIP-Förderungsanträge von etwa 400 WissenschaftlerInnen vor, die bis zum Ende des Jahres eine Aufnahme anstreben. »Uns wäre es lieber, im Interesse der Universität und der Wissenschaftler, wenn wir diese Entscheidung nicht am Ende dieses Jahres zu fällen hätten«, meint der persönliche Referent des Prorektors. »Wir brauchen Zeit, um die Kontakte zu den Fachbereichen aufzubauen.«

An der Universität Potsdam sieht man dem Zuzug der Akademie-Wissenschaftler optimistischer entgegen. Professor Erhard Kempter, der stellvertretende Gründungsrektor ist sich sicher, daß ab 1993 mit allen über WIP geförderten WissenschaftlerInnen Arbeitsverträge abgeschlossen werden können.

Schon jetzt zeichnet sich aber ab, daß das Integrationsprogramm mit seiner Laufzeit von zwei Jahren viel zu kurz ist. Die Wissenschaftsminister der fünf neuen Länder fordern deshalb eine Verlängerung auf fünf Jahre. Darüber muß aber erst entschieden werden.

Im Moment glaubt kaum jemand daran, daß über WIP eine längerfristige Integration an den Hochschulen möglich ist. »Wenn die Förderung ausläuft, wird unsere Arbeit an der Universität zu Ende sein«, schätzt die Historikerin Barbara Pätzhold, »die Universitäten werden uns nicht bezahlen können.« Burgel Langer