UMFRAGE: »Eener aus'm Osten muß eben weg«

■ Manfred Stolpe und die Stasi-Vorwürfe: BerlinerInnen, zumeist aus dem Ostteil der Stadt, sagen ihre Meinung dazu/ Eine Mehrheit ist dafür, daß Stolpe im Amt bleibt

Gestern wurden Protokolle der Gauck-Behörde veröffentlicht, wie Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe unter dem Decknamen »IM Sekretär« angeblich westliche Politiker bespitzelt haben soll. Die taz fragte PassantInnen am Alexanderplatz nach ihrer Meinung und ob Stolpe zurücktreten solle.

Thomas und Jörg: Man weeß nicht mehr, was man glooben soll. Irgendwas is immer dran. Ick gloobe aber nich, daß er ein richtiger Spitzel war. Stolpe war mir sympathisch von Anfang an. Warum sollte der zurücktreten? Die da oben sitzen, haben alle was auf dem Kerbholz. Da brauchen die in Bonn jar nich groß den Mund uffzumachen. Dann müßten se nämlich alle abtreten. Ick halte von Politikern sowieso nich vülle. Es gibt nur zwee Politiker, vor denen ick Achtung habe, und dit is die Hildebrand und der Stolpe. Die setzen sich wirklich noch für die Leute ein. Aber die andern — die kann man alle...

Frau Schinkel: Also der Stolpe — irgendwat wird wohl dranne sein. Is nun langsam 'n bißchen zuviel. Wissen Se, wenn man sich mit der Kirche befaßt, dit is ja eigentlich schon 'n ganz dollet Ding jewesen bei uns in der DDR. Gut, Vermittler hin — Vermittler her, aber ick gloobe, daß er Karriere machen wollte, und da is an der Stasi eben doch 'n bißchen mehr dran. Aber mein Mann hat da eine andere Meinung.

Herr Schinkel: Ick würde sagen, wenn ick 'n Stück Papier habe, kann ick ja ooch schreiben, wat ick will. Die Adolfbücher ham se ja nachjemacht, det kann man ooch nachmachen. Nu isset eener aus'm Osten, und der muß eben ooch noch weg. Ick war früher ooch mal inne SED und bin 1969 rausjejangen mit Pauken und Trompeten. Seitdem seh ick dit sowieso allet 'n bißchen anders.

Renate Steu: Da kann man doch nur eine Meinung haben! Ich finde es unmöglich, wie die Sache läuft. Wir müssen Stolpe aus seiner Zeit heraus beurteilen und nicht nach jetzigen Maßstäben, die von Leuten geprägt werden, die die Zeit nicht verstanden haben. Ich bin froh, daß die Brandenburger ihn immer noch verteidigen und hoffe, daß wir uns alle einig sind und für ihn auf die Barikaden gehn. Er sollte auf keinen Fall zurücktreten.

Siegbert Bruders: Ich finde nicht, daß er abtreten sollte. Ob er Spitzel war — glauben ist so 'ne Sache. Eins ist sicher: politisch will man ihn weg haben. Er ist einer der letzten für die Leute hier. Die Unterlagen könnten ja vollständig sein, aber daß sie nicht versiegelt waren, das soll genau den Eindruck auf Dauer erhalten, daß es nie ganz geklärt wird. Wenn das über Monate nie geklärt wird, damit machst du ja die Leute kaputt, das ist ja politisch tödlich.

Willi Hermann: Also, wenn das stimmt, wär ick schwer enttäuscht, sehr enttäuscht wär ick!. Dann fällt 'ne Welt zusammen bei uns zu Hause in Kreuzberg. Ick finde den unheimlich gut, für Berlin vor allen Dingen. Wir werden ja sehen, wat da rauskommt. Also, ick kann's gar nicht glauben.

Hella: Also, ick kann mir nicht denken, daß er irgendwat unrechtet jetan hat mit der Stasi. Ick finde den jut, den Herrn Stolpe. Ick seh dit so, daß er sein Möglichstes jetan hat, für die Leute wat rauszuholen. Ick finde, er soll auf jeden Fall im Amt bleiben. Umfrage: Petra Markstein

Siehe auch Seiten 4 und 12