Diesmal erträglich

■ „aspekte“, Dienstag um 22.15Uhr im ZDF

Wie oft haben wir vor dem Fernseher gesessen und uns rasch noch die aspekte reingezogen, ganz so wie man nach dem Kino noch einmal einen Burger in den Hals schickt, weil es so schön widerlich ist. Die Dosis eben. Kulturberichterstattung wie die Landung der Alliierten in der Normandie. Jede Formulierung ein plazierter Paukenschlag der Befreiung von falschen Illusionen.

Atemlos vor Faszination verfolgten wir die Argumentationsketten des Oberlehrers Johannes Willms, die wie ein Patronengurt durch das Schnellfeuergewehr seines Mundwerks glitten. Er wird uns fehlen, der kategorische Imperativ der Kulturberichterstattung. In Bälde wird er im Feuilleton der 'Süddeutschen Zeitung‘ über die „Vernutzung von Bildern und Symbolen“ wachen — so der unvergessene Titel einer aspekte- Sendung über Hardcorefilme.

Diesmal moderierte allerdings Carola Wedel. Thema waren „virtuelle Wirklichkeiten“. Ein Modebegriff, der jedoch auf Euro-Disneyland, Expo 92, die Stadt Rothenburg sowie das englische Low-Budget- Freizeitparadies Blackpool schlüssig angewendet wurde. — Die argumentative Verknüpfung heterogener Phänomene ist ja normalerweise die Schwachstelle von aspekte. Unterschiedliche Dinge werden bei grober Ähnlichkeit in eine gußeiserne Argumentationsform gegossen, so daß der Eindruck von selbstreferenziellem Wort- und Bildumsatz nicht verkehrt ist. Schließlich muß man pro Woche eine Sendung produzieren, komme was da wolle.

Der Gedanke, daß immer aufwendigere Freizeitmaschinen „Ersatzangebote für Sehnsüchte“ schaffen, ist zwar alles andere als neu. Ebenso bekannt ist die mit investigativem Unterton artikulierte Tatsache, daß Disney ein Wirtschaftsimperium ist. Dennoch hielt diese aspekte-Folge positive Überraschungen bereit.

Statt fundamental-existenzialistisch grollendem Donnerwetter gab es ausnahmsweise pfiffige Zwischentöne. In Euro-Disneyland laufen Bedienstete hinter der Pferdeparade her, um diskret die Pferdeäpfel einzusammeln. Obwohl sie ebenfalls maskiert sind, spürt man, daß sie nicht ganz dazugehören. Die Kacke der Gäule muß man in Kauf nehmen, solange man nicht auf die Attraktion echter Pferde verzichten will. Eine peinlich klaffende Lücke im glitzernden Vorhang der Illusion. Trotz des burschikosen Kommentars, der uns noch einmal mit der Nase auf das stößt, was wir ohne ihn vielleicht übersehen hätten, ist das eine gelungene Randbeobachtung, die den Geist dieser Freizeitmaschine voll auf den Punkt bringt.

Ähnlich witzig war der Schnappschuß von Helmut Schmidt, der halblaut mit der Verwünschung „Mein Gott!!“ die Summe von DM 72 Millionen kommentiert, die der deutsche Pavillon auf der Expo in Sevilla gekostet hat.

Zwei Momente, die mehr sagen, als diese ganze runtergekochte, humorlose Betonsoziologie, mit der man ansonsten verkostet wird. Wenn sich in Zukunft in aspekte die Erkenntnis breitmachen sollte, daß Bilder auch von selbst sprechen und zuweilen mehr beinhalten als ihr Kommentator vermutet, dann kommt uns zwar auf Dauer eine unfreiwillige Satiresendung abhanden. Doch als Zuschauer muß man auch zu Zugeständnissen bereit sein. Manfred Riepe