Mit Axel aufs Land

■ Über das „Gossenkind“ von Peter Kern

Die Zutaten für einen mitleiderregenden Animationsfilm sind unübersehbar vorhanden: fahle Farben, B-Ebenen zum Sattsehen, Penner und Schnapsflaschen rund um den Hauptbahnhof, verwahrloste Jugendliche. Deutschland, wie und wo es augenfällig schrecklich ist.

Gossenkind, Peter Kerns dritte Regiearbeit, kreist um den vierzehnjährigen Axel (Max Kellermann mit unpraktischer Leningrad-Cowboy- Frisur). Axel geht auf den Strich, wird von seinem feingerippten, saufenden Stiefvater vergewaltigt und sucht doch eigentlich Liebe und Geborgenheit. Obwohl Axel Stricher sein soll, wird er nie bei der „Arbeit“ gezeigt. Gelegentlich drapiert er sich in zerwühlten Betten oder knutscht ungelenk einen Kunden. Meistens lungert er einfach nur sprücheklopfend in der Gegend.

Vom angedeuteten Strichermilieu geht es immer wieder wunderhübsch kontrastiv zum bourgeoisen Ehepaar Brenner. Denn der treusorgende Ehemann und Vater Karl Heinz (Winfried Glatzeder, der mit dem eindrucksvoll gefurchten Gesicht) muß sich allmählich entpuppen. Eigentlich steht er auf kleine Jungs, also bald auch auf Axel. Das Gossenkind katalysiert, und Karl Heinz gibt die Homoerotik nicht nur zu, sondern darf sie auch kuschelig ausleben. Er flieht mit Axel aufs Land, wo die beiden laut Presseheft „eine wunderbare Zeit“ verbringen, bevor das ungleiche Paar für immer Abschied nimmt. (Kurz vor Schluß wird Karl Heinzens jugendlicher Sohn andeutungsweise von einem andeutungsweise debilen Knecht verführt [und von einem Elch geknutscht? d. s-in]. Wie der Vater, so der Sohn?)

Von den „traurigen Kinderschicksalen“ will der Film erzählen und den „anderen, den Suchenden, den Freiern“ — so das Presseinfo. Dazu konstruiert Gossenkind krampfig eine Geschichte und reiht eine Platitüde an die nächste. Was unweigerlich betroffen machen soll, kippt ab und an sogar zur Parodie. Peter Kern ist sicher einer der schrulligsten, skurrilsten Schauspieler hierzulande. Ein Mann mit Gesicht. Warum kann er nicht vor der Kamera bleiben? Michaela Lechner

Gossenkind. Regie: Peter Kern. Mit Winfried Glatzeder, Max Kellermann. Deutschland 1991. 89Minuten, Farbe.