Abschied vom Abschied vom Abschied

Toni Schuhmacher, eigensinniger Torwart und Bestsellerautor, feierte seinen endgültigen Abpfiff  ■ Aus Köln Thomas Lötz

Abschiedsspiele mehr oder weniger verdienter Fußballrecken sind nichts anderes als bloße Inszenierungen, sind Simulation von Fußball. Und wie jede Aufführung sind sie letztendlich gut oder einfach schlecht. Der Abschied von Harald „Toni“ Schuhmacher am vergangenen Dienstag abend war schrecklich, hatte jedoch, wenn auch wenige, schöne Seiten.

Zum insgesamt dritten und damit endgültig letztem Mal sagte der „Kölsche Tünn“, der eigentlich ein „Dürener Burekopp“ ist, tschüß. Er selbst war offensichtlich zufrieden mit seiner Inszenierung, bedankte sich, als alles vorbei war, artig beim Publikum und den Organisationskräften, und statt endlos viele Tränen zu vergießen, strahlte Schuhmacher, als ob seine Karriere gerade erst begonnen hätte.

Über mehrere Wochen war es ihm gelungen, ständig in den Medien präsent zu sein. Kaum ein Tag verging, an dem sein Name nicht in irgendeinem Zusammenhang fiel. Das Stadion war nahezu ausverkauft, Bundestrainer Berti Vogts hatte alle Nationalspieler und Komplementär- Kandidaten mit nach Köln gebracht, und Toni hatte sein „Top-Team“ aufgeboten. Alles war eigentlich wunderbar, die Party konnte steigen. Doch die Party hob trotz 50.000 Gästen im Müngersdorfer Stadion zunächst einmal gar nicht ab, sie klatschte übel auf.

Begonnen hatte der vorläufige Absturz der Veranstaltung bereits vor dem eigentlichen Spiel. Während des zweistündigen Rahmenprogramms sah Stadionsprecher Hans- Georg König sich genötigt, die trägen Fans geschickt zu Gefühlswallungen zu animieren: „Jetzt üben wir alle schon einmal die La-ola-Welle, damit es dem Toni nachher heiß und kalt den Rücken runterläuft! Und alle, alle machen mit!“

Vielleicht hätten er und die Genötigten sich leichter getan, wenn man für dieses Spiel das Alkoholverbot im Stadion aufgehoben hätte. Während Pressevertreter und Honoratioren sich den Hals zuschütten konnten, gab es für die da draußen nur Alkoholfreies. Und spätestens seit Helmut Bergers Suff-Auftritt in einer Sat.1-Talkshow ist hinreichend bekannt, daß auch Gäste erster Klasse zum Sicherheitsrisiko werden können.

Im Spiel selbst fiel auf, daß die Nationalmannschaft vor allem deshalb so dominierte, weil der als „Top- Team“ angekündigte Haufen von Profis mit der ganz großen Ausnahme Bernd Schuster schlechter spielte als, sagen wir mal, Rot-Weiß Erfurt. Von dem vom Bundesberti versprochenen ernsthaften Test konnte man lediglich in den ersten zwanzig Minuten einen schlappen Hauch verspüren. Da hatte der Toni bereits zweimal danebengelangt und einem gewissen „Knut Krüger“ alias Ulf Kirsten sowie Rudi Völler je ein Tor geschenkt. Zudem muß man sich fragen, ob das Ersetzen der Spieler von Schuhmachers türkischem Klub Fenerbace Istanbul (keine Freigabe durch den Verein) ausgerechnet durch Akteure des Lokalrivalen Galatasaray ein sinniges Unterfangen war. Naja, Hauptsache, es waren auch ein paar Türken dabei.

Angesichts solcher Hudelei verfingen sich sentimentale Traditionalisten bereits in schwelgerischen Erinnerungen an das Abschiedsspiel eines Wolfgang Overath: volle Hütte, ein Superspiel, Gesang und alles sprengender Jubel bis zum Ende.

Am Ende von Toni Schuhmachers Abgang aber war alles auch wieder wunderbar. Nachdem er ausgewechselt worden war, hatte er seinen Fans per Mikrophon im Klartext erst einmal zu verstehen gegeben, daß die Pfiffe gegen Stefan Effenberg sich nicht gehörten. „Ich finde es nicht okay, wenn der Stefan Effenberg hier wie ein Arschloch behandelt wird. Toni Schuhmacher hat keine Arschlöcher eingeladen.“ Fortan wurde jeglicher Ballkontakt des Müncheners mit nach außen gekehrtem frenetischen Jubel bedacht, während sich innerlich vor Lachen die Rippen bogen.

Als Toni dann auf seiner Ehrenrunde vom Endlosrefrain des Beatles-Klassikers „Hey Jude“, der in der Kölschen Version das „Hey Jude“ durch „Tschüß Tünn“ ersetzt, begleitet wurde, war die langersehnte Party da. Und endlich war sie auch schön. 50.000 besangen ihren Tünn und schwangen dabei begeistert weiße Taschentücher. Ein paar Minuten später — das Stadion war bis auf 8.000 unentwegt schunkelnde und singende Jünger leergefegt — gab sich der Toni seiner größten Leidenschaft hin: dem Karnevalfeiern. Mit der Kombo „de Höhner“ sang er einen seiner liebsten Reißer, der von einem Wiederkommen nach dem Trinken von ein oder zwei Bierchen kündet. Noch ein Abschiedsspiel? Lieber nicht.

Deutsche Nationalmannschaft: Illgner (1. FC Köln)/46. Köpke (1. FC Nürnberg) - Binz (Eintracht Frankfurt)/46. Helmer (Borussia Dortmund) - Wörns (Bayer Leverkusen), Frontzeck (VfB Stuttgart) - Schupp (SG Wattenscheid 09)/46. Haber (1. FC Kaiserslautern), Häßler (AS Rom)/46. Möller (Eintracht Frankfurt), Sammer (VfB Stuttgart)/46. Effenberg (FC Bayern München), Thom (Bayer Leverkusen)/46. Zorc (Borussia Dortmund), Brehme (Inter Mailand)/46. Bein (Eintracht Frankfurt) - Kirsten (Bayer Leverkusen)/46. Gaudino (VfB Stuttgart), Völler (AS Rom)/46. Kuntz (1. FC Kaiserslautern).

Zuschauer: 55.000

Tore: 0:1 Kirsten (5.), 0:2 Völler (19.).

„Tonis Top-Team“: Schumacher /56. Stein (Eintracht Frankfurt) - Güttler (FC Schalke 04) - Baumann (1. FC Köln)/46. Taifun (Galatasary Istanbul), Greiner (1. FC Köln) - Luginger (FC Schalke 04)/46. Strunz (FC Bayern München), Lehnhoff (FC Antwerpen)/46. Hamzaoglu (Galatasary Istanbul), Schuster (Atletico Madrid), Littbarski (1. FC Köln), Andersen (1. FC Köln)/46. Pflügler (FC Bayern München) - Yula (Galatasary Istanbul)/46. Laudrup (FC Bayern München), Christensen (FC Schalke 04)/46. Wohlfarth (FC Bayern München).