INTERVIEW: 800 Milliarden US-Dollar für die Tropenwaldländer
■ Lutz Wicke (CDU), Staatssekretär in der Berliner Umweltverwaltung, fordert einen „ökologischen Marshallplan“
Berlin (taz) — Die 24 in der OECD organisierten Industrienationen sollen bis zum Jahr 2009 etwa 800 Milliarden US-Dollar an die Tropenwaldländer zahlen. Nur mit diesem „ökologischen Marshallplan“ sei es möglich, den Tropenwald zu retten, argumentiert Lutz Wicke (CDU), Staatssekretär in der Berliner Umweltverwaltung.
taz: Herr Wicke, Sie schlagen einen ökologischen Marshallplan für die Tropenwälder vor. Warum?
Lutz Wicke: Bisher soll mit Hilfe eines Tropenwaldaktionsplanes der Regenwald geschützt und erhalten werden. Doch dieser Aktionsplan konzentriert sich hauptsächlich auf forstwirtschaftliche Instrumente. Die Ursachen wie Massenarmut, Bevölkerungsexplosion, horrende Auslandsverschuldung und ungerechte Landverteilung werden nicht wirklich behoben. Die nationalen Schutzprogramme, die die Tropenwaldländer bisher aufgestellt haben, können von uns nur verbindlich gemacht werden, wenn die Industrienationen massive finanzielle Hilfe leisten.
Die OECD-Länder sollen dafür 800 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2009 aufbringen. Freiwillig?
Beim historischen Marshallplan hatten die Amerikaner auch nicht aus Jux und Tollerei den Europäern finanzielle Hilfe geleistet, sondern aus klarem Eigeninteresse: keine Kommunisten, gute Handelspartner, Wiederaufbau Europas. Jetzt haben wir — die OECD-Länder — das Interesse, daß das ökologische Erbe schlechthin erhalten bleibt. Dafür müssen wir ein entsprechendes Opfer aufbringen.
Die Staatshaushalte sind strapaziert. Wo soll das Geld herkommen?
Der ökologische Marshallplan könnte aus einer kombinierten Kohlendioxid- und Energieabgabe aufgebracht werden. Die würde anfänglich einen Pfennig auf jeden Liter Heizöl oder Kubikmeter Gas betragen und dann auf fünf Pfennig ansteigen. Wir würden nicht nur mehr einen kleinen Wurstzipfel anbieten. Natürlich darf das Geld nicht verlorengehen. Wenn Länder den Tropenwaldaktionsplan verletzen, müssen sie die Zuschüsse wieder zurückzahlen.
Glauben Sie, daß ein ökologischer Marshallplan politisch durchsetzbar ist?
Bei den internationalen Konferenzen gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Ob es nun die Malayen sind oder die USA, jedes Land kann Beschlüsse blockieren. Da müssen sie Abstriche und wieder Abstriche machen, so daß alles extrem langsam voranschreitet. Interview: Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen