Nach Ostern wird es rot-grün Ernst

■ Streit über Giftmüll, Asylpolitik, Europipe und über Expo 2000 steht an

Zwei Wochen lang hat sich Gerhard Schröder während der Osterpause nach Italien zur Erholung zurückgezogen. Er kann sie brauchen. Bei SPD und Grünen ahnt jeder: Nach den Festtagen geht es zur Sache. Noch ist nicht klar, wie bis zur Sommerpause mehrere handfeste Konflikte gelöst werden sollen, die SPD und Grüne zum Teil seit langem vor sich herschieben.

Gestritten wird über Giftmüllverbrennung, Asyl-und Einwanderungspolitik, den Bau einer Pipeline durch den Nationalpark Wattenmeer und schließlich auch über die Weltausstellung Expo 2000. Der rot-grüne Reformkurs, vor allem im Bildungsbereich, ist von Finanznöten bedroht.

Die Sachkonflikte werden durch die jüngsten Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. verschärft. Den Trend — Verluste für SPD und CDU, Zuwächse für Grüne und Rechtsradikale — hat jetzt eine Wählerumfrage auch in Niedersachsen bestätigt.

Bei den niedersächsischen Sozialdemokraten wächst die Angst, die Regierungsarbeit schlage sich mangels erkennbarem eigenen Profil in zwei Jahren negativ auf ihrem Stimmenkonto nieder. Das Koalitionsklima ist angespannt und hat sich in der Osterpause eher noch verschlechtert. In Schröders Abwesenheit haben Vertreter von SPD und Grünen kräftig mit den Hufen gescharrt und Bedingungen gestellt.

Auf „rot“ haben die Grünen ihre Signale bei der Giftmüllverbrennung gestellt. Allenfalls einer noch nirgends erprobten „sortenreinen“ Pyrolyse-Anlage (Müllverschwelung) in Salzgitter wollen sie zustimmen. Die Verlegung der Gasleitung „Europipe“ im geschützten Nationalpark Wattenmeer lehnen sie ab. Die SPD verlangt dagegen, die Grünen dürften sich realen, vor allem wirtschaftlichen Notwendigkeiten nicht verschließen. Zusätzliche Anlagen zur Verbrennung für Giftmüll seien vorerst unverzichtbar. Der „Europipe“ hat Schröder schon seine Zustimmung signalisiert.

In der Asyl- und Einwanderungspolitik versucht die SPD- Fraktion, nicht nur die Grünen, sondern auch den Regierungschef in die Schranken zu weisen. SPD- Innenpolitiker, zumeist in der Kommunalpolitik verankert, haben große Probleme mit dessen Thesen für eine kontrollierte Einwanderungspolitik. Schröders jüngster „Spiegel“-Artikel „Wir brauchen Zuwanderer“ stieß in der SPD-Fraktion auf Ablehnung. Mit seiner vorösterlichen Schelte, Bundesratsminister Jürgen Trittin (Grüne) rede „leichtfertig und unverantwortlich“ über ein „Einwanderungsgesetz“, hat Innenminister Gerhard Glogowski (SPD) nicht nur den politischen Kopf der Grünen gemeint. Denn Schröder läßt in der Staatskanzlei ein Einwanderungskonzept erarbeiten.

Mit einem Koalitions-Knall rechnen in Hannover auch Gegner des rot-grünen Bündnisses kaum. Schröder macht keinen Hehl daraus, daß er — wie im übrigen auch Trittin — fest entschlossen ist, erstmals ein rot- grünes Bündnis über eine volle Wahlperiode zu bringen. Der ehemalige Juso-Vorsitzende will damit seiner Partei und — wie manche in seiner Umgebung meinen — womöglich auch für sich selbst die rot-grüne Option auf Bundesebene eröffnen. Andreas Möser