Bald brummt's in Bremens Baulücken

■ Die „Arbeitsgruppe Baulücken“ des Planungsamtes will in acht Jahren Lücken für 2000 Wohnungen aufspüren

„In unserem Bericht steht noch 1.800, aber inzwischen bin ich sicher, daß wir 2.000 schaffen.“ Hanns-Peter Karl ist voller Optimismus. Als der gelernte Architekt vor knapp zwei Jahren zum Planungsamt kam, steckte die „Arbeitsgruppe Baulücken“ noch in den Kinderschuhen. Sie sollte herausfinden, wo und in welchem Umfang in Bremens Häuserzeilen Lücken klaffen, die ohne großen planerischen Aufwand und ohne die Ausweisung neuer Freiflächen mit Mietwohnungen bebaut werden können. Mittlerweile gibt es ein komplettes Kataster über Baulücken in Bremen (ohne Bremen-Nord), ein neues Förderprogramm für den Mietwohnungsbau und ein Senatsprogramm, das bis zum Jahr 2000 in Bremen 16.000 neue Wohnungen bauen will. 2.000 davon, da ist sich Karl sicher, entstehen dabei in den Baulücken.

Insgesamt hat die Arbeitsgruppe 2.527 Baulücken mit Platz für 5.541 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe registriert (die Angaben zu Bremen-Nord sind geschätzt). Für jede einzelne Lücke muß die Arbeitsgruppe den aktuellen Besitzer ausfindig machen. Allein das ist schon ein tagesfüllender Job: Die Eintragungen beim Grundbuchamt sind oft nicht auf dem aktuellen Stand, Erbengemeinschaften haben die Grundstücke mit einem komplizierten Besitzernetz überzogen, das unter einen Hut gebracht werden muß.

Sind die Besitzverhältnisse geklärt, beginnen die Bauberatungen. Das Planungsamt hilft bei der Frage nach der optimalen Bebauung, weiß, welche Bauvorhaben beim Bauordnungsamt eine Chance haben. „Allein der Nachweis von Parkplätzen oder deren Auslösung ist ein Problem, vor dem viele Investoren kapitulieren“, weiß Karl aus vielen Beratungsgesprächen.

Gerade in diesem Punkt ist Bremen initiativ geworden. Für die Bebauung von Baulücken, das sieht ein „Entwurf für ein Ortsgesetz über die Ablösung von Stellplatzverpflichtungen“ vor, sollen nur noch etwa 25 Prozent der Ablösebeiträge bezahlt werden: In der Innenstadt statt (neu) 23.450 Mark nur noch 6.700 Mark, in den etwas abgelegeneren Stadtteilen 2.400 statt 8.400 Mark. Ein Parkplatz wird in der Herstellung mit etwa 33.500 Mark veranschlagt.

Das die Flächen brach liegen, hat meistens nur einen Grund: Mangelnde Rendite für Investoren im Mietwohnungsbau. „Man kann da heute kein Geld mehr verdienen“, weiß auch Karl. Seine Aufgabe besteht darin, den Besitzern der Grundstücke die Bebauung trotzdem schmackhaft zu machen. Dazu hat er vom Senat den sog. „3. Förderungsweg“ an die Hand bekommen. Der Bauherr bekommt über zehn Jahre Förderungsmittel, verpflichtet sich dafür im Gegenzug, nicht mehr als 7,90 Miete pro Quadratmeter zu kassieren. Im ersten Jahr nach Fertigstellung der Wohnungen zahlt das Land dafür 10,60 pro Quadratmeter dazu. Die Miete darf um 30 Pfennig pro Jahr angehoben werden, die werden dann aber gleichzeitig von der Förderung abgezogen. Dieses Fördermodell gilt seit dem 15. Juli letzten Jahres.

hier das foto mit der

Baulücke

Prominenten Baulücke: Altenwall/Ostertorstraße, am „Eingang“ zur City gegenüber vom Bremer PolizeipräsidiumFoto: Vankann

Bauprofis sind allerdings skeptisch, ob diese Förderung als finanzieller Reiz groß genug ist, potentielle Investoren für den Mietwohnungsbau zu finden. „Derzeit bekommt man bei ganz sicheren Anlagen eine Rendite von sieben oder acht Prozent“, erklärt beispielsweise der Sprecher

der Landesbausparkasse, Lothar Behrens-Rösner. „Wer kostendeckend Mietwohnungen bauen will, muß mittlerweile eine Miete zwischen 20 und 30 Mark pro Quadratmeter fest einkalkulieren.“ Für ein Einfamilienhaus lägen die Baukosten derzeit etwa bei 2.500 bis 4.000 Mark pro Quadratmeter. Ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen (etwa 530 Quadratmeter Wohnfläche) kostet locker seine 1,7 bis 2 Millionen Mark. Selbst bei der geförderten Miete von 18,50 Mark (aus 10,60 Mark Förderung plus 7,90 Mark Grundmiete) bleiben die Einnahmen deutlich unter der Kostenmiete. Rechnet man noch die zu erwartenden Steuervorteile herunter, kommt man im optimalen Fall zu einer Minirendite. „Häuser gelten aber nach wie vor bei Investoren als bleibender Wert“, beschreibt Horst Becker, Leiter der Wohnungsbau-Abteilung bei der Bremer Landesbank, die guten Argumente privater Investoren im Wohnungsbau: Trotz steigender Baupreise, hoher Zinsen auf dem Kapitalmarkt und langen Wartezeiten bei der Lieferung von entsprechendem Material.

Viele Bauherren sheinen das zu schätzen, denn die Wohnlücken- Bebauung läuft gut an. Mit vereinten Kräften hatten sich im November letzten Jahres das Ortsamt Neustadt und das Planungsamt auf eine konzertierte Wohnlückenbebauung gestürzt. Von den dort ausgewiesenen 119 Baulücken (Stand 1988) sind mittlerweile 18 mit 139 Wohneinheiten bezogen. In der Genehmigungsphase sind derzeit drei Lücken mit 18 Wohneinheiten, in Bau fünf Lücken mit 30 Wohnungen. Aus insgesamt fünf Baulücken werden durch Zusammenlegung einzelner kleiner Parzellen etwa 30 Wohnungen entstehen können, bei acht Grundstücken mußten die Bebauungspläne schlicht aufgegeben werden: Mindestens fünfzehn Meter sollte ein Grundstück breit sein, wenn man ein Häuschen bauen will, schätzt Planer Karl.

Wer nicht bauen will, kann unter bestimmten Voraussetzungen auch dazu gezwungen werden. Dazu gibt es das sog. „Baugebot“, das die Besitzer von Grundstücken verpflichtet, im Interesse der Allgemeinheit für eine Bebauung zu sorgen. Die verwaltungsgerichtliche Anerkennung eines solchen Baugebotes ist aber schwierig und nur äußerst selten durchzusetzen. Es gilt nämlich ausdrücklich das Kriterium der Wirtschaftlichkeit, nach der ein Baugebot erteilt werden kann. Daß heißt: Eine Stadt kann seine städtebaulichen Interessen gegenüber einem Grundstücksbesitzer nur dann geltend machen, wenn für den Besitzer die Wirtschaftlichkeit einer solchen Bebauung gewährleistet ist.

So einleuchtend die Bebauung von Lücken ökologisch ist, weil sie freie Flächen verschont, so tückisch kann ein solches Vorhaben aber auch werden: Mitunter sind die Kosten von Baustellensicherung und der Absicherung der nebenstehenden Gebäude so hoch, daß es für einen Investor keinen Sinn macht, Geld in Mietwohnungen zu stecken. „Wir arbeiten deshalb von Anfang an mit den Grundstücksbesitzern auf freiwilliger und partnerschaftlicher Basis zusammen“, sagt Karl. Denn der Weg über das Verwaltungsgericht ist nicht nur mühsam, sondern auch sehr zeitaufwendig. Und das kann sich im Grunde keiner leisten, wenn das Ziel von 2000 Wohnungen bis zum Jahr 2000 erreicht werden soll. Markus Daschner