Zwischen Kolibris und Katzenbären

■ Im Tierpark lassen Mensch und Tier einander Platz/ Seit DDR-Zeiten ein Kinderparadies

Friedrichsfelde. »Mann, ham' die Tiere det jut — fressen, faulenzen und nischt dafür tun müssen. Warum bin ick bloß nich als Tier im Tierpark uf die Welt jekommen?« stöhnt eine Frau neidisch in Richtung ihrer Familie. Sie stehen vor einem Freigehege, in dem faul und genießerisch ein Nashorn in einer Schlammpfütze liegt. Die Sonne scheint ihm auf seine dicke Haut, es gähnt gelangweilt und wälzt sich behäbig auf die andere Seite — von Besuchern läßt sich ein 2,8 Tonnen schwerer Nashornbulle nicht stören. Dabei sind es nicht gerade wenige, die in den Tierpark in Friedrichsfelde kommen. An schönen Tagen kommen bis zu 35.000, mit steigender Tendenz.

Einst lustwandelte auf dem 160-Hektar-Gelände die kurfürstliche Familie. Ein Barockschloß und der darum herum von Lenne angelegte Park zeugen noch heute von der blaublütigen Vergangenheit. Als 1955 der Tierpark eröffnet wurde, setzte man bewußt auf die Idee eines Parks. Tier und Mensch lassen einander Platz. Man drängelt nicht von einem Käfiggitter zum anderen, sondern schaut über weite Wiesen mit Kamelen, Bisons oder Lamas. Zwischen Bäumen und Sträuchern eingebettet liegen Gehege aus natürlichen Felssteinen mit Bären, Stachelschweinen oder Greifvögeln.

Wer den Tierpark durch einen der zwei Eingänge betritt, steht zunächst vor dem Problem, in welche Richtung er sein Interesse und seine Schritte lenken soll. Denn der Tierpark ist ein Kinderparadies, in dem sich selbst Erwachsene müde Füße holen. Wer sich alles in Ruhe betrachten will, schafft es unmöglich an einem Tag. Man sollte also bereits an einem der vielen Wegweiser entscheiden, welche Tiere man sich anschauen möchte. Sonst waren am Ende ausgerechnet die Pinguine oder die Kolibris nicht dabei.

An manchen Stellen, wie vor den Schafgehegen, wo die ständig nach Futter gierenden Tiere auch über die Balken hinweg gestreichelt werden können, sind die Kinder kaum weg zu kriegen. Ebenso zäh hängen sie stundenlang auf dem Spielplatz (im Sommer mit Planschbecken) oder nerven an jeder der etlichen Imbißbuden nach einem Eis. Vorsicht — Drei- und Vierjährige werden in unbeobachteten Augenblicken blitzschnell zu räuberischen Wegelageren. Während Papa und Mama noch mit der Kamera auf Fotosafari sind, wechseln Eistüten unfreiwillig ihren Besitzer.

Äußerst beliebt sind bei den Kindern auch die unzähligen Tierplastiken aus Bronze. Alle haben glänzende Ohren, Pfoten oder Zähne — je nachdem, was sich am besten eignet, um daran hinauf zu klettern. Nur die einst sehr beliebten vietnamesischen Hängebauchschweine und einige Ziegen und Schafe hat man nach der Wende abgeschafft — ihre Vermehrung sprengte die Verhältnisse.

Leider mußten auch 25 Prozent des Pflegepersonals gehen, obwohl die Gehälter ohnehin nur idealistisch genannt werden können. »Die Menge an Arbeit ist jedenfalls die gleiche geblieben«, meint einer der Pfleger. Dabei wird im Tierpark gebaut wie lange nicht. Ein vernünftiges Affenhaus fehlt immer noch. Die beiden Gorillas sind wohl die einzigen Tiere, deren Unterbringung noch bei jedem Besucher einen Stoßseufzer des Mitleids hervorbringt. Wirklich verbessert hat sich mit dem neuen Elefantenhaus die Situation der Dickhäuter. Während die Nashörner gemütlich in der Sonne liegen, toben die Elefanten ausgiebig herum und liefern dem dankbaren Publikum eine regelrechte Show. Da fehlt eigentlich nur noch das öffentliche Elefantenreiten.

Innen hält sich nur die Zwergflußpferdkuh mit ihrem Jungen auf. Es hat den ganzen Vormittag im Wasser gespielt und möchte jetzt nur noch schlafen. Leider wird es bestimmt bald verkauft — seine Art ist vom Aussterben bedroht und insgesamt gibt es auf der Welt vielleicht nicht mehr als 900.

Ebenfalls dichter Andrang findet sich bei den Katzenbären. Das sind kleine rostbraun bepelzte Burschen, die meisterhaft klettern können. Die Foto- und Filmkameras surren unaufhörlich, und die in Sonntagsstaat herausgeputzten Kinder drängeln, auf die Schutzmauer gehoben zu werden, damit sie besser sehen können. Wem das Haus mit Raubkatzen, Riesenschlangen und Vampiren gefallen hat, wird sich auch in der feuchtwarmen Dschungelatmosphäre des Reptilienhauses wohl fühlen. Während man von oben aus sicherer Entfernung auf Nilkrokodil und Alligator herabblickt, durch- schwirren kleine Kolibris und andere bunte Tropenvögel die Luft.

Mittagessen gibt es in der Cafeteria. Eine Großraumgaststätte, wie man in alten Zeiten zu sagen pflegte, mit über tausend Plätzen. Hier kann man seinen Erinnerungen nachhängen, wie es war, als das Bier und der Eintritt in den Tierpark noch eine Mark kosteten. In der Cafeteria hat sich nämlich außer der Bestuhlung nicht viel geändert. Ein quietschmodernes 50er-Jahre-Innendesign, und auf den meist unaufgeräumten Tischen stehen wie eh und je Plastikteller und abgeknabberte Biergläser — schnell zurück in den Park mit seinen vielen Blumen und zu den Tieren. Ein Besuch zu Ostern lohnt sich auf jeden Fall. Markstein

Eintritt für Erwachsene 6 DM, Kinder (3-15 Jahre) 5 Mark; Studenten und Arbeitslose 5 Mark; Schüler und Sozialhilfeempfänger 3 Mark, Berliner Kitas und Schulklassen frei, Hunde dürfen unentgeltlich mitgenommen werden. Filmen und Fotografieren ist frei.