Angst vor falschen Freunden

■ Eine ominöse Gesellschaft will sich mit Opfern des Stalinismus gesundverdienen

Charlottenburg. An der Gedächtniskirche sollte gestern eine »Großkundgebung« für die Rehabilitation und Entschädigung der politischen Opfer des SED-Regimes stattfinden. Aufgerufen dazu hatte ein im Hamburg registrierter Verein, die »GOS« (Gesellschaft der Opfer des SED-Regimes). Aus der Großkundgebung und dem angekündigten Marsch zur Gauck-Behörde wurde mangels Masse nichts. Ein Glück, denn alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die GOS ein Unternehmen von Hochstaplern ist. Ihr Vorsitzender, Wolfgang Grahl, will offensichtlich Kapital aus dem Leid der politisch Verfolgten schlagen. Für einen Mitgliedsbeitrag von 100 Mark würde der Verein, so stand es auf einem Flugblatt zu lesen, qualifizierte Rechtsanwälte vermitteln, die eine moralische und finanzielle Wiedergutmachung erstreiten.

Peter Hussock, von der Hilfsorganisation »Help« war am Vormittag erschienen, weil er von Grahl noch nie etwas gehört hatte und die GOS ihm völlig unbekannt war. Sein mitgebrachtes Transparent rollte er erst gar nicht aus. »Das scheinen Geschäftemacher zu sein«, sagte er. Denn die diversen Opferorganisationen (alle erreichbar über Help, Ruschestraße 59, 0-1130) knöpfen den Hilfesuchenden für die juristische Beratung kein Geld ab. Aus Neugierde erschienen war auch Harald Strunz, der Vorsitzende der »Allianz der Opervereine Kommunistischen Terrors«. Angewidert wendete er sich ab, als Grahl per Megaphon unverholen seine Sympathie mit den »Republikanern« äußerte. »Wir müssen offensichtlich Angst vor falschen Freunden haben«, sagte er. Auch Sigmar Faust, der durch seine Arbeit beim »Dokumentationszentrum« im ehemaligen Mielke-Haus einen guten Überblick über die Szene hat, waren Grahl und die ständig Beifall klatschenden zehn Mitstreiter unbekannt. Er hielt ebenfalls diese vollmundig angekündigte »Großkundgebung« für »kontraproduktiv«.

Die mißglückte Veranstaltung zeigt aber ein Dilemma, in dem sich die ehemals politisch Verfolgten der DDR befinden. Die seriösen Verbände treten so unauffällig auf, scheinen so lose organisiert zu sein, daß Schwindelunternehmen leichtes Spiel haben, ihre wichtige Arbeit zu diskreditieren. Dabei brauchen die etwa 100.000 Menschen die vom SED-Regime aus politischen Gründen verfolgt, in düstere Zuchthäuser eingesperrt, mit Arbeitsverbot ausgegrenzt oder mit Besitzentzug bestraft wurden, dringend öffentliche Unterstützung und Verständnis. Die Opfer des politischen Strafrechts müssen moralisch rehabilitiert und finanziell entschädigt werden. aku