„Hauptsache, wir gewinnen!“

Beim 1:0-Erfolg von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund gegen die Stuttgarter Kickers im Neckarstadion bestätigt sich der Verdacht, daß Fußballspiele im Grunde niemanden interessieren  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Fußballspiele, man muß es immer wieder mal sagen, interessieren ähnlich dem richtigen Leben im Grunde genommen die Wenigsten. Stimmt nicht? Überprüfen wir es einfach, bei Dortmunds Trainer zum Beispiel: Wie groß war Ihr Interesse an einem schönen Spiel, Herr Hitzfeld? „Wir wollten heute nicht schön spielen, sondern lieber zwei Punkte holen.“ Soso, Punkte! Und das Spiel? „War sicher kein berauschendes.“ Warum nicht? „Dafür stand für beide Mannschaften zuviel auf dem Spiel!“ Für Sie die Deutsche Meisterschaft wohl gar? „Die Mannschaft spielt nicht so stark, daß man jetzt sagen könnte, die muß Deutscher Meister werden.“

Moment, wenn wir aus dem Gequassel recht schlau werden, hieße das, daß der BVB, weil er nicht so stark spielt, daß er muß, einfach nicht so schön spielt, und daher kann! Folgerichtig wird man nächsten Samstag, wenn es erneut ins Neckarstadion, aber diesmal gegen den VfB geht, noch etwas weniger schön spielen, weil dann noch mehr auf dem Spiel steht? Hitzfeld (höflich): „Wenn zwei Spitzenmannschaften spielen, gibt es meistens ein besseres Spiel.“ Moment, wir dachten, es ginge nicht um das Spiel, sondern nur um die Punkte? „Wenn zwei Mannschaften spielen, die den Ball laufen lassen, gibt es ein ruhigeres Spiel.“

Ruhiges Spiel? Ball laufen lassen? Mag ja sein, aber was ist mit den Punkten. Schließlich entscheiden die die Meisterschaft, und Sie sprachen doch davon, insgesamt drei aus Stuttgart mitnehmen zu wollen? Hitzfeld (nachdenklich): „Die Rechnung sah aber nur einen Punkt gegen die Kickers vor.“ Oho, das hieße also, Sie wollen deren zwei vom VfB haben? „Gegen den VfB haben wir nicht so viel zu verlieren wie heute.“ Also geht es kommenden Samstag um weniger als um zwei Punkte, Michael Rummenigge? „Es wird eine ganz andere Stimmung herrschen, und das kann entscheidend sein!“

Apropos, was war Ihrer Meinung nach entscheidend für die Niederlage, Rainer Zobel? „Ich glaube, daß uns ein Mann gefehlt hat, der vielleicht etwas Ruhe und Ordnung hätte hineinbringen können.“ Was für ein Mann? „Bei Dortmund glaube ich den gesehen zu haben — Michael Rummenigge.“ Ach richtig, der schoß ja auch das Tor! Zobel (genervt): „Tor? Das war ein großer Fehler, denn die Abwehr spielte drei gegen einen.“ Hofften Sie in der Folge wenigstens auf eine Auflockerung der statischen Spielweise, der jegliche Spielfreude unmöglich machenden Taktik, auf ein schönes Spiel? Zobel (irritiert): „Da kann man nur noch hoffen, daß einer reinrutscht, aus Zufall, dann hat man wenigstens einen Punkt...“

Eine dicke Chance war ja da, Marcus Marin. Was sagt ein Torjäger zu einer solchen vergebenen Chance? Marin (in Torjägermanier): „Ich muß das Tor machen...“ In der Tat, noch dazu, wo Sie die Chance zum Nachschuß hatten... Marin (resigniert): „Das ging so schnell...“

So schnell, wie das Bundesligajahr der Blauen vorbeigeht, Rainer Zobel? Zobel (abwägend): „32 Punkte könnten reichen, mit 34 ist man sicher.“ Wovon hängt denn das um Gottes willen ab? „Man weiß nicht, wie die Spiele ausgehen.“ Und falls die Punkte doch nicht ausreichen sollten? „Ich hoffe, daß einige Vereine an mir interessiert sind. Die Kickers sind auch dabei.“ Aber ob Sie gehen oder bleiben, werden Sie doch demnächst mit Rolf Töpperwien besprechen? Zobel: „Wir machen das unter uns aus.“ Töpperwien: „Hängt das von der Klasse der Mannschaft ab?“ Zobel (ersteren völlig verwirrend): „Das hängt nicht von der Klasse ab, sondern davon, ob wir die Klasse erhalten.“

Mit anderen Worten: Fußballspiele interessieren ähnlich dem richtigen Leben im Grunde genommen keinen. Alle denken Tag und Nacht nur an Punkte! Letzter Versuch: Michael Rummenigge, sie als überragender Fußballer und Mann des Tages vielleicht nicht? „Wer das Tor schießt, ist völlig egal. Hauptsache, wir gewinnen!“

Borussia Dortmund: Klos - Helmer - Kutowski, Schulz (50. Schmidt) - Breitzke, Zorc, Rummenigge, Franck, Reinhardt (87. Graver) - Povlsen, Chapuisat

Zuschauer: 20.000; Tor: 0:1 Rummenigge (52.)

Stuttgarter Kickers: Reitmaier - Spyrka - Novodomsky, Ritter - Schwartz, Hofacker (56. Vollmer), Kula, Wolf, Richter (59. Imhof) - Moutas, Marin