Kalifornien will Mörder in die Gaskammer schicken

■ Erstmals seit 25 Jahren soll die Todesstrafe im Sonnenstaat wieder angewandt werden

Washington (taz) — Robert Alton Harris wird am kommenden Dienstag Geschichte machen. Als erster kalifornischer Sträfling seit 25 Jahren soll Harris, der 1978 zwei 16jährige erschossen hat, in der Gaskammer von San Quentin hingerichtet werden. Noch am Donnerstag hat Gouverneur Pete Wilson nach einer teilweise tränenreichen Anhörung, bei der auch die Verwandten der beiden Ermordeten zur Sprache kamen, ein Gnadengesuch des 39jährigen abgelehnt. Die Argumentation der Verteidigung, Harris sei sich seiner Tat nicht bewußt gewesen, da er durch den Alkoholismus seiner Mutter bereits in der Schwangerschaft und später durch die Mißhandlungen seiner Eltern einen Hirnschaden erlitten habe, wies der republikanische Gouverneur zurück. Harris hatte die beiden umgebracht, um ihren Wagen für einen Bankraub benutzen zu können.

Nur 14 der 50 US-Staaten haben keine Todesstrafe. Und in 19 der 36 Staaten, die sie in ihrem Gesetz vorsehen, ist sie bisher nicht mehr angewandt worden. Das wird sich bald ändern. Die Hinrichtung von Harris gilt nicht nur als Beginn einer neuen Ära im kalifornischen Strafsystem, sondern wird allgemein als entscheidender Wendepunkt in dem bundesweiten Streit um die Todesstrafe angesehen. „Viele Leute haben die Todesstrafe immer als mit dem Süden verwurzelt angesehen. Nun bewegt sie sich in den Norden und in andere Staaten“, meint Diann Rust-Tierney von der American Civil Liberties Union in Washington. So sind, seitdem das Oberste US- Gericht 1976 die Todesstrafe nach einer kurzen Pause von acht Jahren wieder legalisierte, die meisten Mörder in den Südstaaten Texas (40), Florida (27) und Georgia (14) getötet worden; im Norden hat seitdem nur Illinois, und auch nur in einem Fall, diese Strafform angewandt.

Sowohl Gegner als auch Befürworter der Todesstrafe hoffen, aus dem Fall Harris Kapital schlagen zu können. „Ich schreie nicht vor Freude auf, aber ich glaube, die Gaskammer wird sehr beschäftigt sein“, prophezeit etwa Michael Rushford, Präsident der Criminal Justice Legal Foundation. „Das ist ein Fall, der die Pipeline in der härtesten legalen Kampfzone im Land, in Kalifornien, frei gemacht hat.“ Jene, die für die Abschaffung der Todesstrafe kämpfen, setzen dagegen darauf, daß der Fall Harris die US-Bevölkerung, die jetzt mehrheitlich hinter Exekutionen von Mördern steht, von der Nutzlosigkeit der Exekutionen als Abschreckung vor Straftaten überzeugt. Im übrigen weisen sie auf die enormen Kosten der Todesstrafe im Vergleich zu etwa lebenslänglicher Inhaftierung hin. So zeigt kürzlich die 'Dallas Morning News‘ in einer Studie, daß in Texas ein durchschnittlicher Fall, in dem der Täter mit dem Tod bestraft wird, rund 7,5 Jahre dauert und den Steuerzaher rund 2,3 Millionen Dollar kostet. Im Gegensatz dazu müssen nur 750.000 Dollar ausgegeben werden, um einen Häftling 40 Jahre im Hochsicherheitstrakt einer Anstalt festzuhalten. Martina Sprengel