Atempause für Manfred Stolpe

Angebliches Stolpe-Opfer entlastet Ministerpräsidenten/ Stasi-Dokument belegt: Es gab auch ahnungslose „IM“/ Hinweise auf Stasi-Begünstigung Stolpes/ Popularitätswerte gehen nach oben  ■ Aus Berlin Mathias Geis

Der unter Stasi-Verdacht stehende brandenburgische Ministerpräsident Stolpe hat Rückendeckung durch den früheren Gemeindepfarrer von Grünheide, Johannes Meinel erhalten. Laut Stasi-Unterlagen soll Meinel wegen seiner Kontakte zu dem DDR-Regimekritiker Robert Havemann von Stolpe unter Druck gesetzt worden sein. Demgegenüber erklärte Meinel, Stolpe habe immer zu ihm gehalten. Benachteiligung oder Schädigungen durch dessen „meist verborgenes Wirken“ habe er nie erfahren. Meinel kündigte an, Stolpe auch vor dem Untersuchungsausschuß des Potsdamer Landtages zu entlasten.

Die SPD präsentierte zudem ein Stasi-Dokument aus der Dresdner Bezirksverwaltung, das nach Ansicht des brandenburgischen SPD- Chefs Steffen Reiche beweist, daß Kirchenvertreter auch ohne ihr Wissen als inoffizielle Mitarbeiter registriert wurden. Stolpe selbst bestreitet den Vorwurf des Gauck-Berichts, er sei wissentlich Mitarbeiter der Stasi gewesen. Joachim Gauck, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, räumte unter Hinweis auf das Dokument ein, nicht jeder Geführte habe Kenntnis „von der Begrifflichkeit und von der Tatsache, IM zu sein, gehabt“.

Die Gauck-Behörde sieht dennoch keinen Anlaß, ihre Einschätzung zu korrigieren, daß Stolpe der „IM Sekretär“ gewesen sei. Aus Mitarbeiterkreisen der Behörde verlautete, das Dresdner Dokument stelle bisherige Analysen zu Stasi- Methoden und zur Führung von Inoffiziellen Mitarbeitern keinesfalls auf den Kopf. Entscheidend für die Bewertung eines Informanten als IM sei für die Stasi gewesen, ob er sich zu einer konspirativen Zusammenarbeit bereit gefunden habe.

Während der Sprecher der Potsdamer SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Gerber, Gaucks Stellungnahme als „ersten Rückzieher“ gegenüber dem vorgelegten Untersuchungsbericht wertete, sah der brandenburgische CDU-Generalsekretär Klein die „schweren Belastungen“ Stolpes durch das Dresdner Dokument nicht erschüttert.

Neue Vorwürfe gegen Stolpe erhob unterdessen die Bundestagsabgeordnete Ingrid Köppe. Danach wurden Stolpe zu DDR-Zeiten „von der Stasi auffällige Privilegien bei seinen häufigen Reisen nach West- Berlin eingeräumt“. Dies gehe aus Unterlagen des Schalck-Untersuchungsausschusses im Bundestag hervor. Die Stasi hätte angeordnet, daß Stolpe von jeglichen Zollkontrollen befreit bleibe.

Nach bisher vorliegenden Unterlagen sei in den Jahren 1988 und 1989 mit einer Ausnahme keinem anderen hohen Kirchenvertreter der DDR von der Stasi eine Befreiung von Zollkontrollen zugesagt worden. Entsprechende Stasi-Befehle seien nur für wichtige Geschäftspartner von Schalck, besondere Vertrauenspersonen des DDR-Staates und hohe Funktionäre ergangen. Alle anderen hätten sich entwürdigende Grenzkontrollen gefallen lassen müssen, wenn sie überhaupt reisen durften.

Die 1988 aus der DDR ausgewiesene Bürgerrechtlerin Freya Klier erklärte, Stolpe sei „Teil eines Geheimdienstapparates“ gewesen. Er habe ihr und der Bürgerrechtsbewegung geschadet und „nur scheinbar als Kirchenmann gehandelt“. In Wahrheit sei er „für den Staatsapparat der Macher im Hintergrund“ gewesen, der „die Loyalität der Kirche zum Staat zu sichern“ hatte.

Bei den Bürgern aus den neuen Ländern findet diese Interpretation von Stolpes früherem Engagement jedoch wenig Anhänger. Eine Infas- Umfrage jedenfalls verspricht dem letzten autentischen Ost-Landeschef ein geruhsames Osterfest: 82 Prozent der ehemaligen DDR-BürgerInnen lehnen seinen Rücktritt ab.