DER TERROR DES HUMANEN — Von Mathias Bröckers

Ein Karfreitags-Buch nach Maß: Gründe, warum es uns nicht geben darf von Rigo Baladur (Verlag Blaue Eule, Essen), ein rigoroses Schwarzbuch der Spezies Mensch. Auf 430 Seiten durchstreift der pseudonyme Autor das menschliche Vorstrafen- und Sündenregister und dokumentiert das „Fiasko einer Gattung“, das der Aphoristiker E.M. Cioran so ausdrückte: „Indem die Natur den Menschen zuließ, hat sie viel mehr als einen Rechenfehler begangen: ein Attentat auf sich selbst.“ Das essayistische Dossier — Untertitel: „Frontbericht von einem sterbenden Stern“ — listet nicht nur die Details des menschlichen Anschlags gegen die Natur auf, sondern auch die Unfähigkeiten, dem katastrophalen Ausgang dieses Desasters noch irgendwie zu entrinnen. Die Hoffnungsträger und -Prediger und die „Macher“ der „ökologischen Wende“ vergleicht der Autor mit dem Versuchsleiter, der einer in aussichtsloser Situation schwimmenden Ratte kurz ein rettendes Stöckchen hinhält. Ohne die Hoffnung auf Rettung gibt das Tier nach etwa einer Stunde auf, die Illusion einer Möglichkeit aber läßt es bis zu zwanzig Stunden aushalten. „Was uns von der voller Optimismus strampelnden Ratte unterscheidet? Nichts weiter, als daß deren Hoffen sich auf eine Konkretheit berufen kann, denn das Stöcklein des Experimentators war für die Ratte das sinnlich erfahrbare (...) Zeichen eines potentiellen Auswegs. Demgegenüber bedarf es zum Installieren der Zuversicht, die uns — das Wasser bis zum Hals — weiterstrampeln läßt, einer geballten Ladung Autosuggestion, an Sinn vorgaukelnden Halluzinogenen, um den unleugbaren Fakten (...) und dem Meteorismus unserer aufgedunsenen Seele zu begegnen.“ Den vehement für die Abschaffung des Menschen plädierenden Suggestionen des Autors Baladur zu entgehen, seinen Sinn machenden, wahren Halluzinationen und den aufgeführten Fakten zu entkommen, bedarf es einer geballten Ladung jener körpereigenen Opiate, der Endorphine, die für den mentalen Glücks- bzw. Schmerzens-Haushalt des Homo sapiens sorgen. Denn diese Zumutung schärft den Blick für die Gegenwart — „ökologisch parfümiert, grün geschminkt und umweltbewegt aufgedonnert“ —, auch wenn sie als Leitfaden für die Zukunft kaum taugt. Denn Baladurs Parforceritt leidet an dem Gebrechen, zu dessen Endlösung er antritt: er ist anthropozentristisch. Als ob die Erde, die über 400 Millionen Jahre das Leben gehütet und bewahrt hat, sich von dieser seit kurzem Stunk machenden Laus in ihrem Pelz so einfach aus der Ruhe bringen ließe und es ausgmachte Sache sei, daß dieser hybride Parasit mit all seinem Gift ein „Ende der Natur“ herbeiführen könnte. Allenfalls kann er ein Ende seiner Natur herbeiführen. Hybride Parasiten, die nicht zu Symbioten werden, sterben aus — so lautet das schlichte Gesetz; und wer sich nicht anpaßt, fliegt raus aus dem Lebenskarussell, das mit 100.000 km/h um die Sonne rotiert und beste Chancen hat, dies noch zwei bis drei Milliarden Jahre zu tun. Wir entscheiden nur, ob mit oder ohne humanoide Besatzung. Ob der aktuelle Primatenverstand für diese Entscheidung tauglich ist? Eigentlich geht es nur darum, das rettende Stöckchen als Druckfehler zu erkennen. „Wachset und mehret Euch und macht Euch die Erde untertan“ wird die entscheidende Botschaft überliefert. Die eigentliche „Verschlußsache“, lange vor Jesus, ist, daß es natürlich „...und macht Euch der Erde untertan“ heißen muß.