Leipziger Messe-Neubau im Schnellverfahren

„Neue Messe“ auf dem Reißbrett fertig/ Bis zum Jahr 1995 soll vor den Toren der Stadt ein riesiges „neues Stadtviertel“ aus Messe-, Dienstleistungs- und Einkaufskomplexen entstehen/ 300 Millionen Mark vom Bund  ■ Aus Leipzig Nana Brink

Niels Gormsen, Leipzigs Stadtplanungsdezernent, zeigt voller Stolz auf eine riesige Landkarte von Leipzig und Umgebung. Farbig ausgemalt ist ein Dreieck zwischen der Autobahn Halle-Dresden und der B2 (Dübener Landstraße). Der Fleck, so groß wie die umliegenden Gemeinden zusammen, ist momentan der Stadtväter liebstes Kind. Auf 135 Hektar Fläche soll hier bis 1995 das neue Gelände der Leipziger Messe entstehen.

„Wir machen alles, was hier eigentlich nicht geht“, erklärt Gormsen mit gutem Grund. In einem zweistufigen Wettbewerbsverfahren wurde innerhalb eines dreiviertel Jahres die „Neue Messe“ aus dem Boden gestampft oder besser: auf dem Reißbrett entworfen. Vor ein paar Tagen segneten die Gesellschafter der Leipziger Messe GmbH, die zu je 50 Prozent der Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen gehört, den Entwurf des Hamburger Architektenbüros Gerkan, Marg und Partner ab. Die Eile scheint berechtigt: Nach dem Zusammenbruch der traditionellen Universalmesse kämpft die Leipziger Messe um das Überleben. Als Ausweg aus der Bredouille erschien den Gesellschaftern, auch in Anbetracht eines völlig veralteten technischen Messegeländes innerhalb der Stadt, die Verlagerung des Messegeschehens vor die Tore Leipzigs. Das Bundeswirtschaftsministerium förderte den ambitionierten Plan bislang mit 300 Millionen Mark.

Zu sehen ist momentan nichts weiter als besagter Fleck auf der Landkarte. „Hätten wir die in der Bundesrepublik üblichen Planungsverfahren einhalten müssen, würden wir hier nie auf einen grünen Zweig kommen“, erklärt Gormsen das Hauruck-Verfahren. Weder ein Modell noch ein detaillierter Plan existiert für das Projekt, daß — noch — ein Volumen von einer Milliarde Mark hat. Dennoch suche man schon jetzt die Öffentlichkeit.

„Wir haben noch eine Schonfrist und müssen signalisieren, daß hier in Leipzig etwas passiert“, so die Messechefin Cornelia Wohlfarth. In einem Schnellverfahren, und bevor ein Raumordnungsverfahren für die Region auf den Schreibtischen der Verantwortlichen lag, wurden fünfzehn ausgewählte Architektenbüros zum Wettbewerb geladen. Der Sieger bestach „mit der billigsten und zugleich am schnellsten zu realisierenden“ Lösung, schließlich will man 1995 die ersten Messen dort draußen eröffnen. Das international renommierte Architektenbüro (beispielsweise Flughafen Berlin/Tegel) lieferte ein Messegelände im Baukasten-Prinzip: Entlang einer zum Teil überdachten Mittelachse liegen acht — nach und nach zu bauende — quadratische, eingeschossige Messehallen mit je 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. „Ästhetisch“ interessant sei die gläserne Überdachung (Höhe etwa 40 Meter) im Eingangsbereich, deren Entwurf sich am 1951 in London gebauten Kristallpalast orientiert; „ökologisch überzeugend“ die großen Teiche als Wärme- und Klimaspeicher an der West- und Ostseite des Areals sowie die Grünflächen und Wasserläufe entlang der Mittelachse und die Gestaltung eines angrenzenden Naturparks. An dessen Rand will man auch die geplanten 10.000 Parkplätze legen. Und: Es soll keine Straßenverbindung zwischen Messe und den umliegenden Gemeinden geben; der Verkehr soll über die zentralen, neu zu bauenden Verkehrsadern „geordnet“ laufen. „Hier wird eine neue Landschaft entstehen“, hofft der Stadtplanungsdezernent.

Die „neue Landschaft“, knapp sechs Kilometer vor den Toren Leipzigs, wird für die nächsten Jahre erst einmal Baustelle sein und später ein „neues Stadtviertel“. Neben dem Messegelände, für das ein neuer Bahnhof gebaut wird, entsteht gerade auf 100 Hektar eine Niederlassung des Quelle-Versandhauses; zwischen Autobahn und Messegelände wird ebenfalls der „Sachsenpark“ mit riesigen Dienstleistungs- und Einkaufsflächen gebaut. Zwei neue Autobahnabfahrten und der sechsspurige Ausbau der bislang zweispurigen Dübener Landstraße sind bereits beschlossene Sache. Ende April können die Leipziger Bürger die Entwürfe für das neue Messegelände in einer Ausstellung betrachten und — „dann werden sie überzeugt sein, daß der ausgewählte Entwurf einfach der beste ist“, erklärt die Messechefin.