: Leben nach dem 'Stern‘
Korrespondent Kromschröder rehabilitiert, aber arbeitslos ■ Von Barbara Küsel
Der Hamburger Landesarbeitsgerichtspräsident Nordmann-Bromberger wird leider nicht weiter ins bunte, bisweilen auch dunkle Leben der internationalen Journaille an den Brennpunkten der Welt — wie etwa dem Nahen Osten während des Golfkriegs — vordringen können. Die von ihm für den 6.Mai anberaumte Fortsetzung der Berufungsverhandlung im Rechtsstreit zwischen dem 'Stern‘ und Gerhard Kromschröder entfällt. Mitte der Woche schlossen der bisherige Nahost-Korrespondent des 'Stern‘ und das Magazin nach einjährigem Prozessieren und tagelangem Fax-Austausch zwischen den Anwälten einen außergerichtlichen Vergleich. Man habe sich „in allen Punkten geeinigt“, hieß es in einer offiziellen Erklärung: „Gruner+Jahr hält die gegen Herrn Gerhard Kromschröder erhobenen Vorwürfe nicht mehr aufrecht und nimmt die Kündigungen zurück.“
Der 'Stern‘ hatte Kromschröder im Mai letzten Jahres überraschend mit vier und Anfang dieses Jahres mit zwei weiteren Kündigungen überzogen. Darin waren gegen den Reporter, der unter anderem während des Golfkrieges als erster deutscher Print-Journalist ins bombardierte Bagdad gelangte und von dort für die Illustrierte exklusiv in Wort und Bild berichtete, schwerwiegende Vorwürfe erhoben worden. So sollte Kromschröder Einreisevisa für den 'Stern‘-Fotografen Jay Ullal hintertrieben haben, um selbst aktuelle Fotos anbieten zu können. Auch sollte er vor Ort mehrfach wertloses Bildmaterial zu überhöhten Preisen angekauft haben (das seinerzeit aber nicht nur der 'Stern‘ unbeanstandet annahm und publizierte, sondern auch eine britische Sonntagszeitung, eine amerikanische Fernsehstation und die ARD). Fünfstellige Spesenbeträge für Autofahrten zwischen Jordanien und dem Kriegsland Irak sowie zur Bewirtung von Informanten sollte er unnötig verursacht und zudem nicht korrekt belegt haben.
Letzteres wurde Kromschröder auch in Bezug auf eintausend US- Dollar unterstellt, mit denen er in Amman einen irakischen Diplomaten bestochen hatte, der daraufhin dem 'Stern‘-Kollegen Ullal tatsächlich ein Visum für Bagdad beschaffte. Um Kromschröder doch noch Unterschlagung nachzuweisen, waren Ende letzten Jahres der stellvertretende 'Stern‘-Chefredakteur Michael Seufert und Anwalt Dütemeyer eigens nach Amman gereist, um sich von dem bestochenen Diplomaten schriftlich geben zu lassen, daß er kein Geld angenommen habe. Im Irak steht auf Korruption die Todesstrafe.
Die ersten vier Kündigungen gegen Kromschröder hatten im Sommer letzten Jahres eine Protestwelle ausgelöst. So beispielsweise einen „Appell an den 'Stern‘“, der bundesweit — unter anderem in der taz — erschien und in dem mehrere Hundert JournalistInnen, SchriftstellerInnen und GeisteswissenschaftlerInnen verlangten, Kromschröders Ehre und sein Arbeitsverhältnis mit dem 'Stern‘ wiederherzustellen. Bereits im Oktober 1991 hatte das Arbeitsgericht in erster Instanz sämtliche Kündigungen als ungerechtfertigt verworfen. 'Stern‘-Chefredakteur Rolf Schmidt-Holz hatte dagegen jedoch Berufung einlegen und wegen der bezweifelten Diplomaten-Bestechung neue Kündigungen nachschieben lassen. Deren Verhandlung stand jetzt unmittelbar bevor.
In der nun getroffenen Übereinkunft zieht der 'Stern‘ alle diese Anschuldigungen gegen Kromschröder zurück. Wie verlautete, waren 'Stern‘-Redakteure, die LAG-Präsident Nordmann-Bromberger demnächst als Kronzeugen der Chefredaktion ausführlich einvernehmen wollte, in dieser Prozeßphase „umgefallen“. Mit dem außergerichtlichen Vergleich stimmt Kromschröder allerdings auch einer Beendigung seines Vertrages mit dem 'Stern‘ zum 30.Juni dieses Jahres zu. Bis dahin gilt eine „sofortige“ Freistellung bei fortlaufenden Bezügen. Über die Höhe der ausgehandelten Abfindung wurde Stillschweigen vereinbart. Sie soll sich auf „mehrere Jahresgehälter“ belaufen. Kromschröder hatte eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten und war mehr als 13 Jahre beim 'Stern‘.
Jetzt denkt der Journalist, der sich vor allem durch entlarvende Rollen- Reportagen als Asylbewerber, Müllkutscher, Neo-Nazi und so weiter einen Namen gemacht hat, über „ein Leben nach dem 'Stern‘ nach, das es ja auch noch geben soll“.
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