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Firma Rehau bleibt gewerkschaftsfreie Zone

Trotz eines höchstrichterlichen Urteils steht die IG Chemie bei „Rehau“ in Feuchtwangen vor verschlossenen Toren Kündigungen für Gewerkschaftsmitglieder gehören zum Personalkonzept/ Firma will keinen Betriebsrat dulden  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Die Tore des „Rehau“-Werkes im mittelfränkischen Feuchtwangen sind fest verschlossen. Dahinter, auf dem Werksgelände, haben sich 150 ArbeiterInnen aufgebaut. Sie tragen Schilder mit der Aufschrift „Wir brauchen keine Gewerkschaft“. Für die Vertreter der Industriegewerkschaft Chemie gibt es da kein Durchkommen. Selbst die Polizei kann das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht umsetzen, das die Gewerkschaft berechtigt hatte, Zutritt zum Firmengelände zu erhalten. Die „Rehau“-Firmenleitung ignoriert das höchstrichterliche Urteil, wonach es erwiesen sei, daß unter den 540 Beschäftigten bei dem kunststoffverarbeitenden Betrieb in Feuchtwangen auch einige gewerkschaftlich organisiert seien und die IG Chemie somit das Recht habe, dort eine Betriebsratswahl einzuleiten. Die Firma „Rehau“, die Filialen in 21 Ländern besitzt und allein in der Bundesrepublik in zwölf Zweigwerken etwa 6.000 Menschen beschäftigt, will in ihrem Kampf gegen die Gewerkschaft nicht lockerlassen und hat eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil eingeleitet.

Seit mehr als 25 Jahren versucht die „Weltfirma Rehau AG + CO“ (Eigenwerbung), Betriebsratswahlen in ihren Werken zu verhindern. Dabei scheut sie nicht davor zurück, der zuständigen IG Chemie den Zutritt zu den Betrieben zu verweigern und Gewerkschaftsmitglieder zu kündigen. „Rehau“ habe ein „sehr ausgeprägtes Streben nach Unabhängigkeit“, begründet die im oberfränkischen Ort gleichen Namens residierende Firmenleitung die gewerkschaftsfeindliche Haltung des Unternehmens, das auch nicht im Arbeitgeberverband organisiert ist. Das Individuum, nicht das Kollektiv stehe bei „Rehau“ im Mittelpunkt.

Die Firma hat daraus eine eigene Philosophie gemacht — das „Rehau- Personalkonzept“. Demnach ist das Unternehmen „wie ein Organismus, angewiesen auf den Geist, die Initiative und den Fleiß seiner Leitenden und seiner Mitarbeiter“. Unter dem Motto „Selbstbestimmung leichtgemacht“ will die Firmenleitung „sachfremde Einflüsse von außen unterbinden“. Damit sind die Gewerkschaften gemeint.

„Wer zu Rehau kommt, soll sich erwartungsgemäß mit den Unternehmensgrundsätzen identifizieren“, heißt es eindeutig in dem Personalkonzept. Niemand sei schließlich „gezwungen, bei Rehau zu arbeiten“. Wer aber die „Vorteile des gewerkschaftlichen Systems mit dem Ziel des Gewerkschaftsstaates“ vorzieht, dem empfiehlt die Firmenleitung schlicht den Arbeitsplatzwechsel. Ansonsten wird gekündigt.

Schon 1966 hatte die Firmenleitung in Feuchtwangen den kompletten Wahlvorstand zum Betriebsrat gekündigt und in der Folge immer wieder bekannt gewordene Gewerkschaftsmitglieder fristlos entlassen. Diese würden durch ihre Mitgliedschaft in der IG Chemie den „Betriebsfrieden und ihre eigene Sicherheit“ gefährden, lautete die Begründung. Die Firma verlor zwar etliche Kündigungsschutzverfahren vor den Arbeitsgerichten. Am innerbetrieblichen Klima änderte sich dadurch jedoch nichts. „Die arbeiten mit Denunziation, Bespitzelung, setzen Detektive ein und schaffen einen ungeheuren psychischen Druck“, erzählen ehemalige Beschäftigte.

Deshalb änderte die IG Chemie ihre Strategie und hinterlegte die Namen ihrer Mitglieder bei „Rehau“ einem Notar, um diese vor Repressalien zu schützen. Das Bundesarbeitsgericht erkannte diese eidesstattlichen Versicherungen an und urteilte, daß die IG Chemie als eine in der Firma vertretene Gewerkschaft berechtigt sei, Betriebsratswahlen einzuleiten und das Werksgelände zu betreten.

Für Gerhard Obst von der IG Chemie in Selb kommt es nicht von ungefähr, daß viele Beschäftigte der Firmenleitung den Rücken stärken. So habe sich „Rehau“ vorwiegend in strukturschwachen Gebieten (Brake/ Unterweser, Oberviechtach, Rehau, Feuchtwangen) angesiedelt. Dort nutze man seine „Monopolstellung als Arbeitgeber“ aus, um Druck auf die Beschäftigten auszuüben. Mit Zulagen, verbilligten Einkaufsmöglichkeiten und einem sog. „Dispo- Urlaub“, der in kleinen Tagesdosen hereingearbeitet werden kann, versucht die Firmenleitung, die „Rehauer“ bei der Stange zu halten. Die andere Seite der „Rehau“-Medaille ist aber nicht nur die Kündigung im Falle einer Organisierung, sondern auch die Kürzung des Weihnachtsgeldes im Krankheitsfall und die jährlichen Beurteilungen, die den jeweiligen Zulagen zugrunde liegen. Dort wird neben dem fachlichen „auch das menschliche und charakterliche Verhalten des Mitarbeiters berücksichtigt“ (Personalkonzept).

Die IG Chemie kündigte an, sich von den „von der Geschäftsleitung inszenierten Aktionen“ gegen die Gewerkschaften nicht beeindrucken zu lassen und Betriebsratswahlen durchzusetzen.

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