Neulich...

■ ...auf Erlebniskauf

Es hat mich eigentlich selber überrascht, aber es war so: Ich habe mir neulich ein Erlebnis gekauft. Ehrlich gesagt, bezahlt hab' ich später. Zuerst ist es von mir in einer Art und Weise erschlichen worden, die ich nie von mir gedacht hätte. Ich kam nämlich in Begleitung einer Ware nach Hause, die sich mir derart zugeordnet hatte, daß ich sie beim Bezahlen völlig aus den Augen verlor. Was war geschehen?

Ich sehe noch, wie es regnete. Und von fern der Drogeriemarkt winkte mit einem Schirm-Versprechen. Rein da. Aber wer hätte das erwartet: eine sprechende Verkäuferin, ein Verkaufsgespräch! Eine Beratung über umzuhängende Regenschirme zu DM 9.99!! Sowas. Das wirft einen doch über den Haufen! Denn kann jemand wirklich ermessen, was es heißt, die Vorzüge eines Schirmes für DM 9.99 nicht nur erläutert, sondern auch vorgeführt zu bekommen?

Zunächst entriegelte sie jeden Schirmtyp unterschiedlicher Musterung. Dann ließ sie alle — wusch — per Automatikknopf aufspringen: Was für eine herrliche Automatik! Ich hab's gleich eingesehen, schon beim zweiten Wusch. Aber noch mehr nach dem dritten. Dann die Farben: Welcher sollte man den Vorzug geben? Vielleicht diesem Blau? Vielleicht jenen Blümchen? Bedenken mußte man die Farbe der im Regen gern getragenen Kleidung und den daruntersteckenden eigenen Typus.

Als wenn das schon alles gewesen wäre: Jetzt kam die Umhängekordel dran, welche zu lang war. Kein Problem! Mit geschickten kleinen Knoten sind allzu lange Kordeln zu kürzen. Also kürzte sie, damit ich sehen konnte, wie wenig umhängende Schirme in die Kniekehle pieken. Dann spannte sie ein Exemplar aus der engeren Wahl noch einmal automatisch auf und lief hin und her, vom Schirm beschützt und überhöht wie von einem großen Heiligenschein. Ich war ein wenig müde und restlos überzeugt, draußen zerrissen gerade die Wolken und es ward trocken. Aber nun holte sie ihren eigenen Schirm für DM 9.99 aus dem kleinen Bürochen, denn siehe: hielt er nicht schon lange bei ihr, was sie mir eben erst versprach?

Endlich billigte sie meine Farbwahl und half mir ein bißchen, ihn hübsch umzuhängen. Schließlich sollte ich mich doch freihändig noch umsehen können im Laden. Shampoos wären im Angebot. Und dann, Sie, ich seh' ihn noch hängen hinter mir, wie ich das Shampoo bezahle — aber die Kassiererin hat auch so gar nicht hingekuckt und bloß die Wahl meines Shampoos gelobt, welches sie selber nähme, und glänzten ihre Haare etwa nicht? Oh doch! Und da war ich auch schon draußen und schämte mich sofort; und zur Strafe kam die Sonne raus und traf meine Seele ins Schwarze, und etwas piekte mich in die Kniekehle. Ogott, war ich schlecht!

Und hatte ich nicht mein Erlebnis mutwillig um seinen guten Schluß gebracht? Ohja. Am nächsten Morgen ging ich zurück in den Laden und entschuldigte mich mit Kopflosig- und Schusseligkeit. Ohja, das kannte sie, schließlich müsse man seinen Kopf heute ja überall haben, speziell sie, in so einem Laden! Dann dankte sie mir noch mit warmen Worten. Jetzt, da ich all meiner Schlechtigkeit beraubt bin, fühle ich mich schon wieder ganz gut. Claudia Kohlhase