INTERVIEW
: Das Gespräch mit den »Republikanern« führen

■ Heinrich Lummer (CDU) empfiehlt seiner Partei, die Politik der Abgrenzung gegenüber der Rechten aufzugeben

Nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg plädierte der Berliner Bundestagsabgeordnete der CDU, Heinrich Lummer, dafür, die »Republikaner« nicht aus dem Spektrum der koalitionsfähigen Parteien auszugrenzen. Er handelte sich damit heftige Schelte seiner Berliner Parteioberen ein. Die taz sprach mit dem Ex-Innensenator über die Entwicklung am rechten Rand des Parteienspektrums und über die Konsequenzen, die sich für die CDU daraus ergeben.

taz: Herr Lummer, was reizt Sie, dermaßen Ihre eigene Partei zu provozieren?

Heinrich Lummer: Ich habe nicht die Absicht, jemand zu provozieren, ich wollte nur politische Wahrheiten aussprechen. Und für mich ist eindeutig: wenn sich eine Partei innerhalb der Verfassung bewegt, ist sie für mich prinzipiell gesprächsfähig. In solchen Gesprächen müßte man prüfen, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine Koalition gegeben sind.

Die »Republikaner« stehen unter der Beobachtung einiger Landesämter für Verfassungsschutz.

Ja, aber da ist nie etwas dabei herausgekommen, was den begründeten Verdacht erhärten könnte, daß sie verfassungswidrig sind.

Muß sich die CDU auf Dauer auf eine Konkurrenz an ihrem rechten Rand einrichten?

Auf der rechten Seite kann durchaus das geschehen, was auch auf der linken geschah: Die Sozialdemokraten haben es nicht vermocht, eine Partei auf der linken Seite zu verhindern. Die Grünen sind inzwischen eine etablierte Gruppe im Parteienspektrum, und wenn auf der rechten Seite die nötige Programmarbeit geleistet wird und das nötige Personalreservoir sich stellt, dann kann es geschehen, daß sich die Parteienlandschaft auch auf dieser Seite ändert.

Sehen Sie im Erstarken der Rechten eine europäische Tendenz?

Ja.

Bislang ist die CDU nach der Devise »Abgrenzung« mit den »Republikanern« verfahren. Soll sie zukünftig den Weg des »Wandels durch Annäherung« beschreiten?

Ich bin fest überzeugt, daß, wenn man Gespräche führt, es zu einem Einfluß des Mäßigens führt...

... Sie plädieren also dafür, daß sich die CDU der Themen der »Republikaner« annehmen soll?

Ja, gewiß.

In Berlin sind Ende Mai Bezirkswahlen. Zu welchem Wahlkampf raten Sie ihrer Partei?

Wir müssen uns der Themen, die eine Rolle spielen, nicht nur verbal annehmen. Die Wähler wollen nicht nur, daß palavert wird, sondern sie wollen die Probleme gelöst wissen.

Wie soll das aussehen? Soll die Asylpolitik ein zentrales Wahlkampfthema der CDU sein?

Da es ein Thema für alle Wähler ist, muß es auch Thema für eine Volkspartei sein.

Werden die »Republikaner« nach Ihrer Einschätzung bei den Bezirkswahlen starke Zugewinne erzielen?

Ja, das Potential ist jedenfalls vorhanden. Allerdings haben sich die »Republikaner« nicht von einer sympathischen Seite gezeigt, sie haben sich in internen Auseinandersetzungen zerschlissen, so daß ich nicht glaube, daß es ihnen gelingt, das gesamte Potential auszuschöpfen.

Soll die CDU nach den Bezirkswahlen das Gespräch mit den »Republikanern« suchen?

Wenn das Ergebnis dieses verlangt, sollte man das tun.

Ihre Position wurde von Ihrem Parteivorsitzenden Eberhard Diepgen als »unerhebliche Minderheitenposition« klassifiziert. Stehen Sie mit Ihrer Sicht der Dinge tatsächlich alleine in Ihrer Partei?

Ich glaube nicht, daß das der Fall ist. Es mögen ja auch taktische Überlegungen dabei mitschwingen, wenn man solche Auffassungen vertritt. Ich möchte jedenfalls nicht in die Rolle desjenigen kommen, der eine Zeitlang eine bestimmte politische Gruppierung ignoriert, unter Umständen auch diskreditiert, und hinterher muß er doch mit ihr reden.

Fühlen Sie sich denn in Ihrer Partei ausgegrenzt und unverstanden?

Nein, ich glaube, daß bei den Mitgliedern und Wählern diese Auffassung, die ich vertrete, durchaus beheimatet ist.

Stehen der CDU demnächst härtere innerparteiliche Auseinandersetzungen über die Frage ins Haus, wie sie mit den Parteien an ihrem rechten Rand umgehen will?

Das hängt von den zahlenmäßigen Entwicklungen ab. Beim letzten Mal war die CDU der Frage enthoben, mit den »Republikanern« Gespräche führen zu müssen, weil es eh nicht für eine Regierungsbildung oder Prüfung der Koalitionsfrage gereicht hätte. Auch hatten die »Republikaner« kein prüfungsfähiges Programm vorzuweisen. Aber ich kann das auf Dauer wirklich nicht ausschließen.

Sie rechnen also damit, daß es innerhalb der CDU eine stärkere programmatische Diskussion über den Umgang mit den rechten Gruppen geben wird?

Das ist in einer lebendigen Partei fast schon normal. Interview: Dieter Rulff