GASTKOMMENTAR
: Keine Alternative zur Quote

■ Zur Stimmungsmache des Oberverwaltungsgerichts Münster

Die Berichterstattung über die vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster vertretene Auffassung, wonach die im nordrhein-westfälischen Frauenfördergesetz verankerte Quotenregelung bei Beförderungen im öffentlichen Dienst verfassungswidrig sei, ist ein Musterbeispiel für richterliche (?) Stimmungsmache in der Bundesrepublik Deutschland. In den Agenturmeldungen und Zeitungsberichten über die neuerliche OVG- Entscheidung wird nämlich der Eindruck erweckt, das Bundesverfassungsgericht habe den Vorlagebeschluß aus Münster abgewiesen und damit die Verfassungswidrigkeit der Quotenregelung bestätigt. Tatsächlich jedoch hat der zuständige Berichterstatter beim Bundesverfassungsgericht in einem Schreiben an das nordrhein-westfälische OVG seine Bedenken hinsichtlich der formalen Zulässigkeit des Vorlagenbeschlusses geäußert, da es sich bei dem anhängigen Verfahren in NRW bisher nur um ein einstweiliges und nicht um ein Hauptverfahren handelt. Daraufhin hat Münster die Vorlage zurückgezogen.

Damit ist überhaupt keine neue Entscheidung über die Frage der Verfassungskonformität von gesetzlichen Quotenregelungen im öffentlichen Dienst getroffen worden. Mag auch das OVG Münster auf seiner Meinung beharren und sie wiederum laut kundtun: gestützt auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Prof. Ernst Benda ist die SPD der Auffassung, daß eine vorrangige Einstellung und Beförderung von Frauen bei gleichwertiger Qualifikation so lange, bis sie nicht mehr unterrepräsentiert sind, nicht nur nicht verfassungswidrig ist. Vielmehr verpflichtet das Verfassungsgebot der Gleichberechtigung den Staat geradezu, zum Abbau erlittener Diskriminierung wirksame Frauenfördermaßnahmen zu ergreifen. Die bisherigen (schlechten) Erfahrungen mit reinen Appellen haben gezeigt, daß es zu Quotenregelungen keine Alternative gibt.

Die Länder NRW, Bremen, Hamburg und Berlin dürfen und müssen also ihre Gleichstellungsgesetze einschließlich der darin enthaltenen Quotenregelungen weiterhin anwenden. Klagen betroffener Männer, die bei gleichwertiger Qualifikation bei Stellenbesetzungen oder Beförderungen nicht berücksichtigt werden, sind nur im Einzelfall zulässig. Früher oder später wird eine solche Klage im Hauptverfahren schließlich doch in Karlsruhe landen. Es bleibt zu hoffen, daß sich dort eine andere Auffassung durchsetzt als die der Münsteraner Richter. Marliese Doberthien

Nachfolgerin Eva Rühmkorfs in der Leitstelle Gleichstellung der Frau in Hamburg von 1988 bis 1990. Heute Mitglied des Bundestages.