Regine Hildebrandt stützt Stolpe

Sozialministerin koppelt ihr Amt an Stolpes Durchhaltevermögen und kündigt Mobilisierung der Bevölkerung an/ MfS-Führungsoffizier bestätigt Stolpes Informationen über Westpolitiker  ■ Aus Berlin Matthias Geis

Die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt will ihr Amt niederlegen, falls Manfred Stolpe wegen seiner Stasi-Kontakte zum Rücktritt gezwungen wird. In einem Beitrag für die Wochenzeitung 'Freitag‘ erklärt die Ministerin Stolpes Stasi-Kontakte zum notwendigen Versuch, den Status quo in der damaligen DDR zu verändern. Das sei „nichts anderes als das, was die Bundesregierung getan“ habe. Deshalb dürften die ehemaligen DDR- Bürger sich nicht gefallen lassen, daß jetzt mit „Ausschnittswahrheiten“ aus Stasi-Dokumenten die „Meinungsfindung manipuliert“ und Stolpe zum Rücktritt gezwungen werde. Frau Hildebrandt kündigte an, sie werde, „wenn es ernst wird, die Leute hier im Land mobilisieren. Denn ich bin nicht bereit, weiter in der Regierung zu arbeiten, wenn Stolpe abgeschossen wird.“

Während zumindest bisher noch kein Mitglied der Bundesregierung bekannt geworden ist, das vom MfS als Informeller Mitarbeiter klassifiziert wurde, hat jetzt der stellvertretende Leiter der Stasi-Kirchenabteilung XX/4, Rossberg, zugegeben, Stolpe als IM „Sekretär“ geführt zu haben. „Sekretär“, so Rossberg gegenüber der Tageszeitung 'B.Z.‘, „war unser Pseudonym für Stolpe“. Er habe Stolpe 1969 erstmals angesprochen und sich als Mitarbeiter des Innenministeriums vorgestellt. Später habe er dann gegenüber Stolpe zu erkennen gegeben, daß er Mitarbeiter des MfS sei. Rossberg bestätigte auch die in Stasi-Akten festgehaltene Version, Stolpe habe aus Gründen der Geheimhaltung vorgeschlagen, Gesprächstermine unter Umgehung seines Büros zu vereinbaren. Rossberg räumte ein, daß Stolpe auch Informationen über Westpolitiker an die Staatssicherheit weitergegeben habe. Dies sei beispielsweise für Honecker nützlich gewesen, der sich so auf Gespräche mit den betreffenden Westpolitikern habe „gut vorbereiten“ können. Rossberg führte weiter aus, es habe zu den Regeln des MfS gehört, Kontaktpersonen aus Gründen des Quellenschutzes mit Decknamen zu belegen. Allerdings sei es auch vorgekommen, daß er einen Bericht mit dem Decknamen „Sekretär“ gekennzeichnet habe, „obwohl ein anderer IM die Information gegeben hat“. Eine Begründung, warum unterschiedliche Quellen mit einem Decknamen belegt worden sein sollen, nannte Rossberg, der am 5. Mai zusammen mit vier weiteren MfS- Offizieren als Zeuge vor dem brandenburgischen Untersuchungsausschuß aussagen muß, nicht.

Auch Manfred Stolpe verteidigt sich — wie vor ihm bereits Gregor Gysi im Fall IM „Notar“ —, die Akte „Sekretär“ bezeichne „keine konkrete Person“, sondern eine „Schublade“, in die vielfältiges Material geflossen sei. IM hin, Schublade her — für den früheren ständigen Vertreter Günter Gaus bestünde auch dann kein Anlaß für den Rücktritt Stolpes, „wenn alle vorliegenden Berichte über den Inhalt von Stolpes Kontakten mit der Staatssicherheit“ zutreffend seien. „Verantwortungsethik“ in der damaligen Situation habe verlangt, „sich mit den Mächtigen zu arrangieren“.