Frauenquoten im unsicheren Raum?

■ Bundesverfassungsgericht orakelt nicht über Frauenfördergesetze/ Münsteraner Urteil nicht grundsätzlich

Berlin (taz) — Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe weigert sich auch nach dem jüngsten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster weiter, den Gerichten und Verwaltungen der Bundesländer mit Frauenförderungsgesetz die Arbeit abzunehmen. Das OVG in Münster hatte in einem am Dienstag ergangenen Beschluß das nordrhein- westfälische Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen im öffentlichen Dienst erneut als verfassungswidrig eingestuft. Die Münsteraner Verwaltungsrichter sehen alle Länder-Gleichstellungsgesetze erneut im rechtsunsicheren Raum.

Die Karlsruher dagegen konterten trocken: So lange Gesetze existieren, habe die Verwaltung diese durchzuführen, so der Geschäftsleiter des zuständigen 2. Karlsruher Senats, Antoni, gestern zu der Entscheidung. „Wenn Verwaltungen und Gerichte allen Entscheidungen aus dem Weg gehen und auf orakelhafte Worte aus Karlsruhe warten, sind sie selbst schuld“, meinte Antoni. „Wo es ihnen vom Gesetz her zusteht, sollen sie in drei Teufels Namen selbst entscheiden, bei Gott dem Herrn!“

Die Rechtsunsicherheit für von Frauenfördergesetzen betroffene Frauen und Männer bleibt damit vorerst bestehen. Das NRW-Gesetz zum Beispiel sieht unter anderem vor, daß bei Einstellung und Beförderung von Beamten Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu bevorzugen sind, solange der Anteil von Frauen in der jeweiligen Laufbahn geringer ist als der der Männer. Damit berücksichtigt das Gesetz die im Benda-Gutachten vorgelegten Bedenken, eine Quotenregelung sei nur verfassungskonform, wenn sie auf einer gesetzlichen Regelung fuße. Außerdem hält sich das nordrhein-westfälische Gesetz an die vom Grundgesetzartikel 33 vorgegebene Bestimmung, die den Zugang zum öffentlichen Dienst strikt nach dem Leistungsprinzip, also nach der höheren Qualifikation regelt.

Dennoch wiederholte das OVG Münster mit seiner Entscheidung vom Dienstag den Beschluß aus dem Jahr 1990, in dem schon einmal die Verfassungswidrigkeit des Frauenförderungsgesetzes moniert worden war. Damals hatte ein Justizbeamter gegen die Beförderung einer Kollegin geklagt. Das Münsteraner Gericht setzte — vermutlich aufgrund eigener Rechtsunsicherheit — das Eilverfahren aus, um beim BVG die Verfassungskonformität des NRW- Frauenförderungsgesetzes kontrollieren zu lassen. Nach anderthalb Jahren Bedenkzeit gab das BVG die entsprechenden Akten quasi unbearbeitet an die Münsteraner Richter zurück. In einem sechsseitigen Begleitschreiben des zuständigen Berichterstatters Professor Dr. Klein verwies das BVG darauf, daß es bei Eilverfahren dieser Art keiner Entscheidung des BVG bedürfe. Da es bisher nur einstweilige Verfahren, aber noch keine anhängige Klage gäbe, läge die Zuständigkeit hier nicht in Karlsruhe, sondern bei den Verwaltungen und Gerichten.

Während die Münsteraner Richter an ihrer Auffassung festhalten. sieht das nordrhein-westfälische Frauenministerium im Schritt des BVG den Beweis, daß die Verfassungskonformität des Frauenförderungsgesetzes nun nicht mehr auf dem Prüfstand steht. Verwaltungen seien jetzt dazu aufgerufen, sich an das Frauenförderungsgesetz zu halten und bei Einstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst Frauen bevorzugt einzustellen.

Letztlich ist mit dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts in Münster, von dem diese konservative Stoßrichtung zu erwarten war, keine grundsätzliche Vorentscheidung für oder gegen eine Quotenregelung gefallen. Die Frauenförderungsgesetze und Antidiskriminierungsgesetze in NRW, Bremen, Berlin und Hamburg gelten nach wie vor und können in die Praxis umgesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wann sich die Klage eines Herrn, der sich zurückgesetzt fühlt, den Weg durch alle nötigen Instanzen gebahnt hat. Vielleicht steht dann in vier bis fünf Jahren irgendwann doch eine Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe an. Bis dahin, meint Jutta Oesterle-Schwerin (Bündnis 90/ Grüne), „brauchen wir Frauen im Patriarchat eben einen langen Atem.“ flo