Mudschaheddin erobern Gardes

■ Afghanische Rebellen des „Siegers von Khost“ rücken auf Kabul vor/ UNO-Vermittler trifft Masud

Kabul (afp/taz) — Während der UNO-Vermittler Benon Sevan gestern erstmals mit dem Mudschaheddin-Kommandanten Achmed Schah Masud zusammentraf, haben im Süden Afghanistans Truppen unter dem Kommandanten Dschalluddin Hakkani die Garnisonsstadt Gardes eingenommen. Hakkani ist wie Masud ein Rivale des Fundamentalisten- Chefs Gulbuddin Hekmatyar. Seine Leute wollten nach ihrem Erfolg vom Mittwoch morgen weiter zur 100 Kilometer nördlich liegenden Hauptstadt marschieren.

Sevans erstes Treffen mit Masud, dessen Dschamiat-i-Islami als „gemäßigt“ gilt und der eine friedliche Übergabe Kabuls anstrebt, fand in der Stadt Scharikar 80 Kilometer nördlich von Kabul statt. Diese Stadt wird von den Truppen Masuds kontrolliert, berichten Augenzeugen. Sevan bemüht sich seit Monaten darum, den Bürgerkrieg zu beenden und neue Konfrontationen zwischen ethnischen Gegnern zu vermeiden.

Die Feindschaft zwischen dem Paschtunen Hekmatyar und dem Tadschiken Masud droht weiterhin eine friedliche Lösung für Kabul zu verhindern. Die Paschtunen bilden die größte Volksgruppe innerhalb Afghanistans, die Tadschiken sind eine der zahlreichen Minderheiten. Hakkani ist bekannt als „Sieger von Khost“, wo er im letzten Jahr einen wichtigen militärischen Erfolg für die Mudschaheddin erzielte. Er gehört der gemäßigteren Junus-Chalis- Fraktion innerhalb der Fundamentalistenbewegung „Hesb-i-Islami“ an, die sich von Hesb-Chef Hekmatyar losgesagt hat.

In den Berichten aus Gardes hieß es weiter, 15 Tage sei fruchtlos mit Armeevertretern verhandelt worden, zuletzt noch in der Nacht zum Mittwoch. Am Morgen habe dann Kommandant Hakkani den Tausenden Freiheitskämpfern verschiedener Gruppierungen den Befehl zur Einnahme Gardes von vier Seiten gegeben. „Alles ist in unsere Hände gefallen“, lautete die im pakistanischen Peshawar verbreitete Siegesbotschaft der Mudschaheddin.

Unterdessen stehen Hekmatyars Kämpfer bis auf zehn Kilometer vor dem Stadtrand Kabuls. Masuds Truppen stehen halbkreisförmig im Norden der Stadt. Reportern auf dem Rückweg vom Treffen Sevan-Masud versicherten sie, sie hätten nicht die Absicht, Kabul anzugreifen, sondern Order, ihre Stellung zu halten.

In der Hauptstadt herrschte am Mittwoch eine gespannte Stimmung. Im Zentralgefängnis Pol Scharki, wo in den vergangenen Tagen 1.700 politische Gefangene entlassen worden waren, mußten die Wächter mit Warnschüssen Kriminelle daran hindern, politische Gefangene als Geiseln zu nehmen. Nach Angaben eines Armee-Hauptmanns sind dort noch immer 300 „Politische“ in Haft.

Unterdessen haben Pakistan und Indien erklärt, sie würden Ex-Präsident Nadschibullah kein Asyl gewähren, um den Verhandlungsprozeß nicht zu gefährden und die Mudschaheddin nicht zu verärgern. li